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Altenberger Requiem

Altenberger Requiem

Titel: Altenberger Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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alles gedacht«, sagte sie, erneut so, als könnte sie wissen, was in mir vorging.
    Ich vertiefte mich in den Anblick ihrer streichelnden Finger, bis sie weiterging. Hinter der Hausecke standen wir endlich dem großen Domportal gegenüber. Der größte Teil der schmalen Fassade bestand aus einem riesigen Fenster in Spitzbogenform mit vielen Unterteilungen. Die Glasflächen wirkten fast schwarz, was dem Dom etwas Abweisendes gab.
    »Das berühmte Westfenster«, sagte Wonne und schritt auf den Eingang zu, der im Vergleich zu dem gigantischen Spitzbogen darüber wie ein Mauseloch wirkte.
    »Gibt’s hier keinen Kirchturm?« Mir fiel ein, dass ich schon auf dem Modell keinen bemerkt hatte.
    Wonne schüttelte den Kopf. »Das gab’s bei den Zisterziensern nicht. Bei denen musste alles ganz einfach und schlicht sein. Deswegen hat das Fenster auch nur wenige Farben.« Sie öffnete die Tür, und wir gingen hinein. »Das ist auch der Grund, warum hier drin alles ein bisschen grau wirkt. Aber es ist ein feierliches, edles Grau.«
    Unsere Schritte hallten in dem riesigen Kirchenraum. Wonne hatte nicht übertrieben. Das Grau lebte. Es lebte, weil es in so vielen verschiedenen Tönungen vorkam. Es lebte in den schmalen Säulen, die kraftvoll in klaren Formen in die Höhe wuchsen und dort oben das Gewölbe trugen - ehrfurchtgebietend und ernst. Kühle und ein kreidiger, feuchter Geruch umgaben uns.
    »Wo willst du hin?«, flüsterte ich.
    »Ich suche das Herz. Komm mit.«
    Wir gingen abseits der Bänke das linke Seitenschiff entlang, bis wir an die dem Eingang genau entgegengesetzte Seite gelangten. An einer Seitenkapelle blieben wir vor einem schwarzen Metallgitter stehen, das die Rundung vom eigentlichen Kirchenraum abtrennte.
    »Schau mal.« Sie deutete durch die Eisenstäbe.
    Ich blickte hinein und sah an der Wand so etwas wie einen kleinen Altar. Darauf befand sich ein dunkler Kasten, der mit einem goldfarbenen Herz geschmückt war.
    »Da ist es drin«, flüsterte Wonne, die mit ihrem Gesicht ganz dicht an meines gekommen war. »Das Herz.«
    »Wessen Herz?«, fragte ich und bewegte mich keinen Millimeter.
    »Engelberts.« Sie stellte sich wieder gerade hin. »Einer aus dem Geschlecht der Grafen von Berg. Er war Kölner Erzbischof und wurde im Mittelalter umgebracht. Im 13. Jahrhundert.«
    »Ermordet?«
    »Soviel ich weiß in der Nähe von Hagen. Er lebte zum Teil auf Schloss Burg. Insofern hat sich Jutta mit den Zielen ihrer Rallye etwas gedacht.«
    »Sollte man den Mord nicht aufklären?«
    »Du denkst immer an deinen Job, was? Er ist aufgeklärt. Es war irgendein gräflicher Verwandter. Eine Familienfehde, glaube ich. War mir aber klar, dass dich das interessiert.«
    Sie wandte sich wieder dem Schrein zu. »In diesem Reliquiar ist sein Herz beigesetzt.«
    »Und der Rest?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Also gut. Wenn ich die Frage richtig verstanden habe, sollen wir die Quadrate hier zählen.« Ich trat ein Stück zurück und deutete auf die Stäbe. Vor dem Schrein befanden sich vier vergitterte Fenster in einer schützenden Mauer - je zwei links und rechts einer ebenfalls vergitterten Tür. Das Gitter bildete gleichmäßige Vierecke. »Jedes Fenster hat vierundzwanzig«, sagte ich. »Mal vier-macht sechsundneunzig.«
    Wonne nickte. »Perfekt. Aufgabe gelöst.«
    »Und wohin fahren wir als Nächstes?«
    Sie brauchte nicht in die Unterlagen zu gucken.
    »Erst mal nirgendwohin. In Altenberg sind zwei Aufgaben zu lösen. Die eine ist die mit Engelbert. Die andere hat nichts mit der Historie zu tun. Wir sollen einen Spielplatz finden, der sich hier irgendwo befindet. Und von dort etwas mitbringen. Eine weiße Blume.«
    »Wir sollen Blumen klauen? Hm … und wo soll dieser Spielplatz sein?«
    Ich erinnerte mich wieder an etwas. Es war deutlich vor meinen Augen. Und es hatte wieder etwas mit meiner Kindheit zu tun. »Sag mal, gibt’s hier nicht einen Märchenwald? So einen mit einzelnen Stationen - kleinen Häuschen, in denen man die wichtigsten Szenen aus verschiedenen Märchen sehen kann? Da gab’s doch auch einen Esel«, redete ich mich in Fahrt, von Erinnerungen überschüttet, »auf dem man reiten konnte!«
    Plötzlich war mein stärkster Wunsch, diesen Märchenwald noch einmal zu besuchen. Na ja, vielleicht nicht mein allerstärkster Wunsch, denn es gab da noch etwas anderes. »Ich bin ganz sicher, dass dort der Spielplatz ist«, redete ich weiter. »Wo Kinder sind, muss auch der Spielplatz sein. Und wo ein Märchenwald ist,

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