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Altenberger Requiem

Altenberger Requiem

Titel: Altenberger Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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hier aus konnte man rauf zum Schloss laufen oder einfach nur in den Gässchen herumspazieren.
    »Warte.« Sie stieg aus.
    Die Breitseite des Plätzchens nahm ein spitzes Haus mit Schieferwand ein. Eine Beschriftung über den kleinen Fenstern verkündete, dass wir vor dem Cafe Meyer standen. Wonne verschwand in einer Tür im Erdgeschoss und kam kurz darauf mit einer Brezel zurück, die so groß war wie ein Kirmeslebkuchenherz. Ein rotes Band zum Aufhängen hatte sie auch.
    »Siehst du? Hier in der Mitte? Zähl mal.«
    Ich begutachtete die Verschlingung des Teiges zwischen den beiden Schlaufen. Ich zählte sechs Umdrehungen. Aber es war ja auch die Rede von mindestens fünf Schlaufen gewesen. Ehe ich darauf eingehen konnte, hatte Wonne ein Stück abgebrochen und hielt es mir vor die Nase. Ich nahm es nicht in die Hand, sondern öffnete den Mund, um mich füttern zu lassen, und Wonne machte mit. Das nächste Stück durfte ich ihr dann in den Mund stecken. Fasziniert beobachtete ich, wie sie erst mit ihren weißen Zähnen daran knabberte, bevor sie herzhaft hineinbiss.
    »Der Teig ist hart und trocken«, erklärte sie. »Wie Zwieback. Das ist für diese Brezeln typisch. Sie müssen rappeln.«
    Das rote Band verschwand irgendwo im Fußraum und gesellte sich zu den Krümeln, die wir dort hinterlassen hatten.
    Ich fühlte mich großartig. Der Tag hatte sozusagen gerade erst angefangen, und ich wagte mir gar nicht auszumalen, was er noch alles bringen würde.
    Leider hatte ich mir nur Gedanken in eine bestimmte Richtung gemacht.
    Und eine andere vollkommen außer Acht gelassen.

4. Kapitel
    In Richtung Wermelskirchen tauchten wir aus dem Tal auf, um nach einer schönen Strecke auf der Landstraße parallel zur A1 wieder hinunterzugleiten. Kurz vor Altenberg absolvierte Wonne erneut eine Reihe von Serpentinen, die in Motorradfahrerkreisen legendär waren. Zwischen den Kurven zeigte sich ein Bauwerk. Ein spitzes Dach. Ein verziertes Kirchenfenster. Der Altenberger Dom.
    Wann war ich das letzte Mal hier gewesen? Ich versuchte mich zu erinnern. Sonntagsausflugsziel Nummer zwei. Bilder tauchten vor meinem inneren Auge auf. Spaziergänge um einen Teich, der sich irgendwo hinter der Kirche befinden musste. Sonntägliches Schwitzen in unbequemen feinen Klamotten. Drückende Schuhe. Essen im Hotel gegenüber. Stillsitzen. Sich benehmen. Braten mit Kartoffeln, Rotkohl und massenhaft dicker Soße.
    Wonne bremste hart, als ein Schild auf einen Parkplatz verwies: »Rösberg« stand dort, daneben hing ein blaues Schild mit weißem P.
    »Am besten, wir lassen den Wagen hier.« Sie bog in eine Zufahrt ein, die steil ein Stück hinunterführte und uns auf einen Parkplatz aus festgestampfter Erde brachte. Im Schatten hatten sich ein paar Pfützen vom gestrigen Regen gehalten.
    Ein Stück weiter war die weiße Fassade eines Gastronomiebetriebes zu sehen, der gleich drei Funktionen in sich vereinte: »Hotel, Restaurant, Cafe« stand in grüner Schrift auf der Wand und darunter der Name: »Wißkirchen«.
    »Wo ist jetzt der Dom?«, fragte ich.
    Wonne war ausgestiegen und hielt die Mappe in der Hand. Sie deutete auf eine betonierte Unterführung neben dem Parkplatz. »Wenn ich mich nicht irre, geht’s da lang. Das ist der normale Fußweg. Unter der Hauptstraße durch.«
    Ich zwängte mich aus der Nussschale auf Rädern.
    »Wie lautet denn die Aufgabe?«
    Wonne blätterte im Schnellhefter und las vor: »Nun seid ihr in Altenberg. Wo ein Heiliger sein Herz verlor, müsst ihr die Quadrate in den Gittern zählen. Links und rechts der Eisentür.«
    »Damit kann Jutta nur mich gemeint haben. Sie sagt immer, ich sei ein komischer Heiliger.«
    »Und du hast dein Herz verloren?« Wonne sah mich schelmisch an.
    »Nicht erst in Altenberg. Schon früher.«
    »Soso.«
    Wonne schien wieder kurz vor einem Lachanfall zu stehen und schüttelte den Kopf. »Na komm schon, du Komischer. Heiliger würde ich dich nicht nennen.«
    »Warum nicht?« Ich tat entrüstet.
    »Na, weil Heilige … Ach, ist ja auch egal.« Sie ließ mich stehen und ging los.
    Ich folgte ihr und schloss zu ihr auf, als sie gerade die Unterführung erreichte.
    »Was meinst du?«
    Sie blieb stehen und sah mich an. Sie hatte die Sonnenbrille wieder in die Haare geschoben, und zum ersten Mal wurde mir klar, dass ihre Augen gar nicht blau waren, wie ich die ganze Zeit gedacht hatte, sondern grün. In einem ganz hellen Ton, der leicht ins Türkise überging.
    »Heilige machen manche Sachen nicht, die

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