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Altenberger Requiem

Altenberger Requiem

Titel: Altenberger Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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mitkriegen, dass ich hier bin. Das gibt sonst Ärger. Du musst ihn ablenken.«
    Gemeinsam schlichen wir nach unten und durch Hackenbergs Reich bis zur Terrassentür. Ich hoffte inständig, dass der Nachbar immer noch vorne nach uns suchte.
    Wir hatten Glück. Der Mann war nicht mehr zu sehen.
    Ich ließ Wonne hinten raus und schloss die Tür wieder. Dann wandte ich mich dem Haupteingang zu. Kurz darauf hörte ich die beiden reden.
    »He, was machen Sie da? Das ist Privatgelände.«
    Ein gelber Lichtschein bewegte sich. Der Nachbar benutzte im Gegensatz zu uns eine Taschenlampe. Ich stellte mir gerade vor, wie er sie Wonne ins Gesicht hielt.
    »Weiß ich«, sagte sie. »Es tut mir auch leid, dass ich Sie störe. Aber ich wollte nachsehen, ob ich gestern hier meine Sonnenbrille vergessen habe.«
    Es vergingen ein paar Sekunden, die der Marschmusikfan offensichtlich mit Nachdenken verbrachte. Es war Nacht. Eine Zeit, zu der Sonnenbrillen für ihn wahrscheinlich keine Existenzberechtigung hatten. Auch der Gedanke daran nicht.
    »Ihre Sonnenbrille?«, wiederholte er misstrauisch.
    Wonne gab weiter die Unschuldige, als hätte sie Schauspielerei studiert. »Ja, ich hatte sie hier auf die Fensterbank gelegt, als wir gestern hier waren.«
    »Und? Haben Sie sie gefunden?« Er hörte sich tatsächlich an wie jemand, der hier etwas zu sagen hatte.
    »Jawohl«, meldete Wonne militärisch, und das war wahrscheinlich der einzig angemessene Tonfall. »Und ins Auto gelegt.«
    Der Feldwebel war noch nicht zufrieden. »Und was haben Sie eben hinter dem Haus gemacht?«
    »Wieso hinter dem Haus? Da war ich gar nicht.«
    Jetzt wirkte er wie ein Staatsanwalt, der einen Verdächtigen bei einem Widerspruch ertappt hat.
    »Erzählen Sie mir keinen Unsinn. Ich habe Sie gesehen. Keine Ausflüchte. Sie waren auf dem Grundstück.«
    »Ach das. Nein, ich war nur zwischen den Büschen.«
    »Aha - ertappt! Und warum?«
    »Warum wohl? Können Sie sich das nicht denken?«
    »Nein, ich kann mir gar nichts denken.« Damit hatte er endlich mal recht. »Also?«
    »Wenn Sie’s genau wissen wollen: Ich musste mal für kleine Mädchen. Darf ich jetzt vielleicht endlich fahren? Mein Freund wartet auf mich.«
    Schleifer Platzek hatte es wohl die Sprache verschlagen. Ich hörte wieder Schritte. Wenn ich mich nicht irrte, bewegten sie sich in Richtung seines Hauses.
    Wie zu erwarten, behielt er aber das letzte Wort. »Suchen Sie sich das nächste Mal gefälligst einen anderen Platz zum Pinkeln. Das ist kein Damenklo hier.«
    Wonne ließ ihm ein wenig Zeit. Ich hörte, wie sie die Tür ihres Wagens öffnete. Kurz darauf startete der Motor. Vermutlich fuhr sie ein paar hundert Meter in Richtung Tente. Ich zählte leise bis fünfzig und verließ das Haus. Einen Moment befürchtete ich, der Feldwebel könnte so schlau gewesen sein, das Ablenkungsmanöver zu durchschauen, und auf mich warten.
    Doch da war nur die weite bergische Nacht. Und Wonnes Wagen, dessen Rücklichter rote Flecken in die Dunkelheit malten.
    Ich schloss ab und steckte den Schlüssel ein. Den Ordner fest an mich gepresst, lief ich los.
    Wonne empfing mich mit einem heißen Kuss.
    »Hast du jetzt endlich Dienstschluss? Darf ich dich entführen?«
    Ich dachte an die Unterlagen aus Klara Hackenbergs Haus und daran, dass ich sie jetzt eigentlich am liebsten sofort gelesen hätte. Aber das hatte auch bis morgen früh Zeit. Irgendwann musste auch mal Schluss sein.
    »Entführen …«, sagte ich und machte mich langsam los, nur um dann noch einen weiteren Kussangriff zu wagen, bis ich kaum noch atmen konnte. »Entführen«, brachte ich schließlich hervor, »klingt richtig gut.«
    Ich ließ mich forttragen. Hinaus in die Sommernacht.
    Irgendwo in meinem Hirn, aber weit im Hintergrund, registrierte ich, dass Wonne in Richtung Leverkusen abgebogen war.
    »Wollen wir nicht weiter ins Bergische Land?«, fragte ich.
    »Ich hab mich vertan«, sagte sie, und ihre Stimme klang brüchig, als wäre etwas von ihrer Selbstbeherrschung verloren gegangen.
    Plötzlich riss sie das Steuer nach links und gab Gas. Es war eine ähnlich kleine Straße wie die in Tente zu dem Hackenberg-Haus. Die Scheinwerfer wanderten über einen kleinen Parkplatz. Hinter einem Zaun leuchteten rote Lichtpunkte.
    Wonne stellte den Motor aus. Die roten Lichter wurden deutlicher. Es waren Grablichter.
    »Sorry, aber ich halt’s nicht mehr aus«, stöhnte sie. »Stört dich der Friedhof?«
    »Hast du solchen Hunger?«
    »Und wie.«
    »Na ja,

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