Altenberger Requiem
nicht zu schlucken. Sie merkte es.
»Nicht drüber nachdenken. Spür einfach den Geschmack. Es ist auch nur wenig drin. Ich hab ihn klein geschnitten. Ansonsten sind in dem Nudelsalat Eier, bergisches Rapsöl und Joghurt. Und natürlich Majoran.«
Natürlich, dachte ich - der ich null Ahnung vom Kochen hatte.
Wir aßen, tranken. Zum Salat gab es Weißbrot. Ich bekam mein Flaschenkölsch, Wonne trank nach eigenen Worten selbst gemachte Limonade. Ob man auch selbst Bier brauen konnte? Wahrscheinlich.
Dann sanken meine Gedanken wieder in sich zusammen. Machten etwas anderem Platz. Purer Empfindung. Fühlen. Als wäre ich nur noch Haut und Nerven. Doch irgendwann kehrten die Gedanken zurück. Ich wurde mir der Zerbrechlichkeit dieses Moments bewusst. Ich wäre gerne auf der sicheren Seite gewesen, hätte Wonne gerne auf der Stelle alles Mögliche gefragt.
Wie es mit uns weiterging.
Wo wir die heutige Nacht verbringen würden.
Wer sie eigentlich war.
Wo sie wohnte.
Mir sank der Mut. Was, wenn sie mir sagte, dass zwar alles ganz schön war, aber für eine feste Beziehung …
Nicht darüber nachdenken, dachte ich. Tu, was Wonne gesagt hat: Genieße den Augenblick.
Ich versuchte es. Und als es mir gerade gelungen war, begann sie zu reden.
»Morgen ist Montag.«
»Und?«
Sie küsste mich, und ich schmeckte auf ihrer Zunge noch etwas Würziges. Wahrscheinlich der Majoran.
»Ich muss früh aufstehen und arbeiten. Ich werde zu Hause übernachten.«
Es klang absolut. Eine Entscheidung. Sie gab mir einen Stich.
Aber es war ja klar. Die Frau hatte ein eigenes Leben. Sie musste ihr Geld verdienen, genau wie ich. Und sie hatte nun fast zwei Tage mit mir verbracht - zwei Tage, die wie im Flug vergangen waren.
Die Stimmung sank. Sie verflüchtigte sich. Und sie war nicht festzuhalten.
Wir trugen die Körbe zum Auto, und ich bemühte mich, den Schmerz, der leise in mir aufflammte und immer stärker wurde, zu ignorieren.
Wir quetschten uns in die Nussschale. Ich fror und war müde. Auf dem ganzen Rückweg schwiegen wir.
Schließlich waren wir kurz vor der Einfahrt zu Mannis Haus. Ich hatte am Ende der Fahrt vor mich hin gedöst. Doch jetzt riss ich die Augen auf. Weit vor uns waren die Rücklichter eines Wagens zu sehen, der sich schnell in Richtung Wülfrath entfernte. Ich konnte die roten Punkte gerade noch erahnen, da hatte die Nacht sie schon verschluckt.
»Das Auto ist gerade hier rausgekommen«, sagte Wonne.
»Bist du sicher?«
»Absolut.«
Das entspannte Gefühl war mit einem Schlag verschwunden. Genauso wie die Wehmut darüber, dass ich den Rest der Nacht ohne Wonne verbringen musste. Meine Sensoren waren auf Alarm gestellt.
Wonne bog in die Zufahrt ein. Langsam krochen wir bis zum Vorplatz. Die Scheinwerfer erfassten meinen Golf.
Ich stieg aus und ging zur Haustür. Sie war verschlossen. Alles schien in Ordnung zu sein.
Wir betraten das Haus, ich prüfte Raum um Raum und schaltete überall die Lichter ein. Penibel checkte ich die Fenster. Es war nichts Auffälliges zu entdecken.
»Kann es nicht sein, dass du dich verguckt hast?«, fragte ich Wonne.
»Ausgeschlossen. Es kam hier heraus.«
»Na ja, zum Glück ist ja nichts passiert.« Ich beugte mich vor und gab ihr einen Kuss. »Lass mich nicht zu lange allein, hörst du?«
»Hast du Angst allein?«
»Vielleicht.«
»Mach dir keine Sorgen«, murmelte sie. »Spätestens morgen Abend sehen wir uns wieder.«
»Sicher?«
»Ganz sicher.«
Wir zögerten den Abschied noch ein bisschen hinaus.
Schließlich winkte mir Wonne ein letztes Mal zu, setzte sich in ihren Wagen und fuhr los. Ich sah ihr eine ganze Weile nach. Als sie um die Ecke an der Hauptstraße verschwunden war, lauschte ich dem Motorengeräusch, bis es im Rauschen des fernen Verkehrs verschwand.
16. Kapitel
Wonne hatte ihre Marmelade und das selbst gebackene Brot dagelassen.
Du wirst tatsächlich zum Kulinariker, dachte ich, als ich mich auf den Weg machte, die Zeitung aus dem Briefkasten zu holen.
Es war kurz nach halb neun. Ich hatte mich vom Handy wecken lassen.
Sofort sprang mir die Schlagzeile entgegen: »Mord in Altenberg«.
Ich überflog den Bericht, der mit einem Foto des Kinderspielplatzes bebildert war. Deutlich war das hölzerne Fort mit der Brücke zu sehen, dahinter der liegende Baumstamm vor dem Unterholz. Hier hatte der Bildredakteur einen weißen Pfeil angebracht, der auf die Fundstelle der Leiche hinwies.
Ich las den Text genauer. Die Polizei, so hieß es, ging
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