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Altenberger Requiem

Altenberger Requiem

Titel: Altenberger Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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wir in das Haus reinwollen.«
    »Und was hast du geantwortet?«
    »Dass ich das dir überlasse. Du bist schließlich der Chef.«
    »Dann bestimme ich jetzt, dass es dunkel werden möge. Und leg mal einen höheren Gang ein. Untertourig macht weniger Lärm.«
    Die Umgebung wurde schlagartig von der Dunkelheit verschluckt. Wonne ließ den Wagen noch ein bisschen rollen und stellte den Motor dann ab.
    Ich öffnete die Beifahrertür und hielt inne.
    »Hörst du das auch?«, fragte ich.
    »Ja.«
    Von irgendwoher kam Musik.
    Wir stiegen aus. Die laue Luft der Sommernacht umfing uns. Von den Wiesen kam ein weicher Duft nach Gras und Erde.
    Und das Konzert einer Blaskapelle.
    »Romantisch, oder?«, sagte sie. »Jetzt ist es wirklich Sommer geworden. Wer hätte das gedacht.«
    Die Sommer im Bergischen Land waren leider oft durchwachsen. Gelegentlich unterschieden sich die Temperaturen kaum von denen zu Weihnachten. Und dann gab es wieder zwei, drei Wochen lange Hitzeperioden, während deren man fast im schmelzenden Asphalt versank.
    Einen richtig schönen, angenehm warmen, nicht zu heißen Sommer: So etwas gab es selten. Aber seit ein paar Tagen hatten wir ihn.
    »Wunderbar«, sagte ich. »Wenn nicht diese komische Musik wäre.«
    »Ist doch egal. Da wird irgendwo ein Fest sein. Was stört es uns?«
    »Schauen wir mal nach dem Schlüssel.«
    »Werden wir lange brauchen?«
    »Warum fragst du?«
    »Och, nur so … Mir wäre nach etwas anderem.«
    Mein Mund war plötzlich trocken. Fast hätte ich der Versuchung, die Arbeit aufzuschieben, nachgegeben. Doch dann sagte ich mir, dass es nicht lange dauern würde. Dass die Nacht gerade erst begonnen hatte.
    Wir umrundeten das Haus von der linken Seite. Dahinter lag der kleine Garten, vom angrenzenden Grundstück durch die Büsche abgetrennt, bei denen wir den Nachbarn getroffen hatten. Die Grenze zeigte sich als schwarze undurchdringliche Mauer. Darüber leuchtete etwas in der Ferne, von wo aus auch die Musik kam. Es war gar keine Blaskapelle. Jedenfalls keine, die live spielte. Der Herr Nachbar veranstaltete sein Privatkonzert. Offenbar war er ein Freund gediegener Marschmusik.
    »Das ist gut«, sagte ich. »Dann wird er hoffentlich nicht mitkriegen, dass wir hier sind. Wahrscheinlich marschiert er gerade nach ›Preußens Gloria‹ durchs Wohnzimmer. Mit dem Besenstil als Gewehrersatz.«
    »›Preußens Gloria‹? Kennst du dich so gut mit Militärmusik aus? Hätte ich dir gar nicht zugetraut.«
    »Ich mir auch nicht. Aber mein Vater spielte in der Polizeikapelle Tuba. Der hat dieses Zeug rauf- und runtergehört. Und keine Volksmusiksendung im Fernsehen wurde ausgelassen. Vor allem nicht der ›Blaue Bock‹.«
    »Du Ärmster. Lass uns schnell den Schlüssel suchen, damit wir hier fertig werden und ich dich trösten kann.«
    Wir betraten den schwarzen Teppich der Rasenfläche.
    »Und wie sollen wir hier einen bestimmten Blumentopf finden?«, fragte Wonne. »Hast du eine Taschenlampe dabei?«
    »Nein, das wäre viel zu auffällig. Ich weiß was Besseres.«
    »Einfach Licht machen?«
    »Warte es ab.«
    Ich versuchte, die Dunkelheit zu durchdringen. Das Trompetengeschmetter und die Beckenschläge aus den Fenstern dreißig, vierzig Meter weiter trugen nicht gerade zu meiner Konzentration bei.
    Aus den Tiefen meiner Taschen förderte ich ein Feuerzeug zutage. Ich ging in Wonnes Nähe und riss die Flamme an. Am Ende der Hauswand lagerten alle möglichen Gartengeräte - Eimer, ein Rechen. Etwas Unförmiges, das ich für zusammengeklappte Stühle hielt.
    Wir waren heute tagsüber hier gewesen. Ich versuchte, mich zu erinnern.
    »Und jetzt mach bitte mal dein Handy an«, sagte ich.
    Das Telefon gab ein sanftes Leuchten von sich. Der bläuliche Schein war schwach, reichte aber aus, um Konturen des Sammelsuriums sichtbar zu machen.
    Wonne arbeitete sich durch den Haufen. Ich hörte schwaches Klappern von Töpfen, dann hielt sie triumphierend etwas in die Höhe. Es war der Schlüssel.
    »Lass das Handy eingeschaltet«, sagte ich. »Wir werden das Licht da drin auch brauchen.«
    Wir gingen zur Vorderseite, steckten den Schlüssel ins Schloss und betraten das Haus.
    Der matte Schein des Displays schwebte durch den kleinen Flur und enthüllte eine Garderobe mit ordentlich aufgehängten Jacken.
    »Was genau suchen wir eigentlich?«, fragte Wonne.
    »Ich muss mir ein Bild davon machen, wie Frau Hackenberg ihren Alltag verbracht hat. Und wir suchen nach einer Verbindung zwischen ihr und

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