Altenberger Requiem
Nach Beratungsstellen. Was sollte man stattdessen sagen?
Liebe: Viel zu abgenutzt.
Affäre: Nicht ernst genug. Immerhin klang es romantisch, was wahrscheinlich an dem französischen Einschlag lag.
Was hatte ich mit Wonne?
Keine Ahnung. Ein Freundschaftspflänzchen, das langsam aufging.
Das aber gefährdet war. Durch ein wie auch immer geartetes Geheimnis. Von einem brennenden Gefühl begleitet, hatte ich plötzlich wieder das Bild von ihrem Telefondisplay vor Augen. Die Kontaktliste mit Mathisens Namen.
Ich stieg ins Auto, ließ den Motor an und freute mich, als »Movie Star« von Harpo die schlechten Gedanken vielleicht nicht hinwegfegte, aber wenigstens übertönte.
Ich sagte dem Pförtner der Gladbacher Polizeibehörde, dass ich einen Termin mit Herrn Kotten hatte, und wurde mit dem Hinweis auf eine Zimmernummer zum Dezernat für Tötungsdelikte geschickt.
Als ich den Raum erreichte, stand die Tür offen, aber niemand war zu sehen. Auf dem Schreibtisch lag eine durchsichtige Tüte -eine von den Modellen, in denen die Polizei Spuren und Indizien sammelte. Ich war noch in den Anblick vertieft, da kam jemand den Gang entlang. Es war Kotten, in der Hand einen Pappbecher mit einer dunklen, dampfenden Flüssigkeit.
»Sie können so viel starren, wie Sie wollen. Ich bin nicht da drin«, sagte er.
»Auch Ihnen einen guten Tag, Herr Kotten«, antwortete ich. Eigentlich hätte ich ihm gerne die Hand gegeben, aber er schob mich schon in den Raum hinein. Ich betrachtete die durchsichtige Tüte, die da zwischen Aktendeckeln und zwei aufgestellten Fotorahmen lag.
Das eine Bild zeigte eine Frau, das andere zwei Kinder - ein Mädchen und einen etwas älteren Jungen. Beide mit den gleichen hellblonden Haaren wie die Mutter.
Er setzte sich, deutete auf den Platz vor dem Schreibtisch und legte die Hände auf den Tisch.
»Das ist nicht zufällig der Handtascheninhalt von Frau Hackenberg?«, fragte ich und wies auf die Tüte.
»Ich bewundere ein zweites Mal Ihre Beobachtungsgabe.«
Ich versuchte, mir über den Tisch hinweg ein Bild zu machen. Soweit ich das erkennen konnte, waren es ein kleiner Kalender oder ein Notizbuch, ein paar Zettel, ein Kuli. Ein Labello.
Ich hätte viel drum gegeben, in die Tüte hineingucken zu dürfen.
»Haben Sie das schon ausgewertet?«, fragte ich.
»Kein Kommentar.«
»Ich schlage einen Deal vor. Ich verrate Ihnen, in welche Geschäfte Matthias Büchel, genannt Matze, verstrickt ist, und Sie lassen mich einen Blick auf den Inhalt werfen.«
»Sind es illegale Geschäfte?«
»Das kann man wohl sagen.«
»Und Sie wissen davon?«
Ich nickte nur. Mir war klar, was nun kam.
»Dann sind Sie ohnehin verpflichtet, sie uns mitzuteilen, Herr Rott«, sagte Kotten. »Das muss ich Ihnen ja wohl nicht erklären.«
»Das ist richtig. Aber Sie werden nie erfahren, worum es geht, wenn ich es nicht sage.«
»Außer wir kommen von selbst drauf. Oder wir ermitteln das schon längst. Es wäre nicht das erste Mal, dass uns jemand einen wertlosen Deal anbietet.«
Kotten nahm die Kunststofftüte, legte sie ordentlich vor sich hin und strich sie glatt. Er wollte mich reizen, das war mir klar. Die kleinen Notizzettelchen verschoben sich und gaben den Blick auf eine Visitenkarte frei. Ich konnte sie nicht lesen, aber das Logo war zu erkennen …
»Sagen Sie, was Sie zu sagen haben«, erklärte Kotten feierlich, »und Sie dürfen das hier ansehen.«
Ich glaubte nicht daran, aber dann fielen mir die Rosenaus ein - das junge Paar, das Matze wahrscheinlich gelinkt hatte. Es freute sich so auf das Eigenheim. Schon deswegen musste ich Kotten davon berichten.
»Na? Warum überlegen Sie so lange?«
Jetzt knetete er die Tüte, und das Logo auf der Visitenkarte wurde deutlicher sichtbar. Es war blau.
»Matze Büchel hat sich eine neue Betätigung gesucht«, begann ich. »Und ich habe ihn dabei beobachtet.«
»Hat es etwas mit diesem Fall zu tun?«
»Vielleicht. Vielleicht auch nicht.«
»Es geht also nicht um ein Tötungsdelikt?«
»Nein. Es geht um Betrug, soweit ich das beurteilen kann.«
Er zog die Tüte zurück. »Dann sind Sie hier falsch. Wir sind das KK1. Ich bringe Sie gerne zu dem zuständigen Kriminalkommissariat. Das wäre das KK2.«
In mir geschahen mehrere Dinge gleichzeitig. Zum einen überlegte ich fieberhaft, wo ich das Logo auf der Visitenkarte in Klara Hackenbergs Tasche schon mal gesehen hatte. Ich kannte es, da war ich mir ganz sicher. Zum anderen versuchte ich, den Ärger über
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