Altenberger Requiem
Kotten zu verarbeiten, der ein blödes Spiel mit mir spielte.
»Ich sage Ihnen, was ich weiß«, erklärte ich, die Sanftmut in Person. »Und dann machen Sie damit, was Sie wollen.«
Ich fasste zusammen, was ich beobachtet hatte. Kotten nickte vor sich hin. »Wie sind Sie darauf gekommen?«, fragte er am Ende.
»Berufsgeheimnis.« Ich musste ihm ja nicht auf die Nase binden, dass ich Matze überwacht hatte.
Ich nannte ihm die Handstraße und den Namen der Geschädigten. »Der Wagen hatte ein Kölner Kennzeichen«, erinnerte ich mich.
Kotten schrieb sorgfältig mit. Schließlich legte er den Stift zur Seite. »Es kann sein, dass Sie in der Sache als Zeuge aussagen müssen. Es ist sogar sehr wahrscheinlich.«
»Ist mir klar. Noch etwas: Klara Hackenberg wusste von Matzes Immobilienbetrug.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Ich weiß es eben.«
»Für Ihre Hellseherei kann ich mir nichts kaufen.«
»Wie Sie wollen. Was ist mit unserem Deal?«
»Welchem Deal?«
»Dass ich Frau Hackenbergs Sachen ansehen darf. Schon vergessen?«
»Sie werden darin keine Hinweise finden. Das haben wir schon überprüft.«
»Darf ich mir vielleicht selbst ein Bild machen?«
»Sie wissen genau, dass das nicht geht. Es ist nicht erlaubt. Wenn wir auf Beweismittel stoßen, wird es Hackenbergs Anwältin erfahren. Und sofern sie damit einverstanden ist, auch Sie.«
»Aber wir hatten einen Deal.«
»Ja, dass Sie das hier ansehen dürfen.«
Er nahm den Beutel und hielt ihn mir vor die Nase.
»Haben Sie genug gesehen? Von Aufmachen war nicht die Rede.«
Er verstaute den Beutel in einer Schublade. In mir ratterte es immer noch: das blaue Logo … verdammt noch mal.
Ein liegendes Oval.
»Wenn es nicht beleidigend wäre, würde ich sagen, Sie sind ein Blödmann.«
»Vorsicht, Vorsicht«, fuhr er auf. »Das ist beleidigend. Ich kann Sie anzeigen.«
»Deswegen habe ich es ja auch nicht gesagt. Ich habe gesagt, wenn es nicht beleidigend wäre, würde ich es sagen. Es ist aber beleidigend. Deswegen sage ich es nicht.«
Ich rauschte hinaus, den Gang entlang und die Treppe hinunter.
Als ich durch die Glastür war, fiel mir endlich ein, was es mit dem Logo auf sich hatte. Das liegende Oval war ein Auge. Ein Auge, das etwas ausspionierte. Und das Logo gehörte zu jemandem, der solche Mätzchen nötig hatte.
Ich musste meine Aufregung herunterschrauben, während ich den kleinen Berg hinunterfuhr und vor einer Ampel zum Stehen kam. Der Verkehr auf der Mülheimer Straße donnerte vorbei, und es kam mir wie eine Ewigkeit vor, bis die Ampel grün wurde. Als es endlich so weit war, hielt ich mich stadtauswärts. Ein Stück weiter, hinter der Bahndammunterführung, erschien auf der rechten Seite eine Tankstelle. Eine gute Gelegenheit, um anzuhalten und zu telefonieren.
Ich hatte die Nummer nicht mehr im Kopf, aber die Auskunft fand sie schnell.
»Detektei Meinertzhagen, was kann ich für Sie tun?«
Eine junge Frauenstimme. Sie klang fast genauso wie die Vorzimmerdame von Frau Rath. Und dann immer dieses »Was kann ich für Sie tun?«. Das war doch sonnenklar: Zuhören.
»Rott hier«, sagte ich. »Guten Tag.«
»Was kann ich für Sie tun?«, wiederholte sie, und ich überlegte, ob ich vielleicht mit einem Computer redete. Als ich das letzte Mal mit Meinertzhagen zu tun gehabt hatte, war er noch ohne Vorzimmer ausgekommen. Sein Laden musste wirklich gut laufen. Im Gegensatz zu meinem. Mir wurde klar, dass ich auch eine Visitenkarte mit Logo brauchte. Ein Zeichen in Form einer Nase wäre vielleicht passend. Privatschnüffler Rott. Schnüfflerei Rott. Rotts Nase. Rotznase.
»Ich hätte gerne den Chef gesprochen. Wir sind Kollegen«, erklärte ich so flapsig, dass es Philipp Marlowe angemessen gewesen wäre.
»Tut mir leid, Herr Meinertzhagen ist noch bis heute Mittag unterwegs. Worum geht es denn?«
»Er soll mich bitte zurückrufen.« Ohne auf eine Antwort zu warten, diktierte ich meine Handynummer.
»Und der Name war … ?«
»Rott. Remigius Rott. Wie gesagt: Wir kennen uns.«
17. Kapitel
»Bremen« stand auf dem kleinen grünen Schild. Der Ort war so klein, dass es noch nicht mal für ein gelbes Gemeindeschild gereicht hatte.
Daraus hätte man schön eine Frage für Juttas Rallye machen können. Fahre nach Bremen und zähle die Häuser …
Ob tatsächlich jemand nach Norddeutschland aufgebrochen wäre?
Allzu viele Häuser waren es nicht. Ich kam auch nicht ganz bis zum Ende; auf der Karte hatte ich gesehen, dass ich mittendrin
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