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Alter Sack, was nun

Titel: Alter Sack, was nun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kester Schlenz
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Zu viel gemotzt.
    Und dann hat er mal was versucht, was erstaunlich gut geklappt hat. Er hat, wenn es Ärger und Auseinandersetzungen gab, erst einmal einfach nur die Fresse gehalten . Und geguckt. Mit stoischer Miene. Und überlegt, was man zu dieser oder jener Unverschämtheit sagt.
    Und wissen Sie was? Das hat in ungefähr achtzig Prozent der Fälle super funktioniert. Die Leute wurden unsicher. Fingen an, sich von selber zu rechtfertigen, sich zu entschuldigen, konnten seinem Blick nicht standhalten. Oder das Schweigen nicht ertragen. Seitdem hält Horst häufiger den Mund und guckt.
    DIESES GUCKEN, GEPAART MIT GRAUEN SCHLÄFEN UND EINEM MÜDE-GELANGWEILTEN, TADELNDEN BLICK SYMBOLISIERT DIE WEISHEIT UND ÜBERLEGENHEIT DES ALTERS.
    Scheißegal, ob wir wirklich überlegen oder weise sind - es zählt nur die Wirksamkeit dieser Methode. Sie ist universell anwendbar. Auch zu Hause. Nehmen wir mal an, ihr Sohn hat Ihnen eine Beule ins Auto gefahren oder er präsentiert Ihnen ein Zeugnis, in dem »Versetzung gefährdet« steht. Nicht »Das zahlst du« brüllen oder »Und ich habe immer gesagt, du musst mehr für die Schule tun, verdammt noch mal«.
    Neiiiiin - schweigen und gucken. Dann wird der Bursche sagen: »Aber ich zahl das selber, Papa« oder »Ich tu jetzt echt mehr für die Schule und nehm Nachhilfe.«
    Und dann brauchen Sie nur noch die Brille abnehmen, sie mit langsamen Bewegungen zu putzen beginnen, und dann sagen Sie: »So ist es recht, mein Junge.«

    SCHLIESSLICH SIND SIE SO WAS WIE EIN ELDER STATESMAN UND HABEN DIESE EMOTIONALEN SCHNELLSCHÜSSE NICHT MEHR NÖTIG.
    PS: Ausnahmen sind natürlich, wenn jemand Sie vor anderen unannehmbar bloßstellt oder grob beleidigt. Dann müssen Sie sofort reagieren und sagen: »Wenn Sie mit diesen gutturalen Würg- und Brechlauten fertig sind, können wir ja wieder zum vernünftigen Gespräch zurückkehren.«
    Das ist auch super. Funktioniert aber nicht so gut in der S-Bahn, wenn Sie ein Besoffener anpöbelt.

Das Theater
    EINE HERAUSFORDERUNG FÜR DEN ALTEN SACK
    Ich möchte in diesem Kapitel einmal eine Lanze für das Theater brechen. Ins Theater zu gehen ist für viele Leute ja unfassbar out. Über so was liest man Unverständliches in den Feuilletons. Theater - das klingt für die allermeisten Leute anstrengend und ist eigentlich nicht relevant. Die gehen dann lieber ins Kino. Mein Vater sagt immer: »Früher, Junge, da gab es gutes Theater. Aber heute? Da pinkelt ein Nackter bei ›Hamlet in SS-Uniform vom Panzerwagen und spricht dann den berühmten Monolog auf Serbisch. Das ist nicht mehr meine Welt.«
    Ich sage hier meinem Vater (und auch Ihnen, falls Sie seiner Meinung zuneigen): Papa, das ist übertrieben.
    ES GIBT IMMER NOCH EINE MENGE ZU ENTDECKEN IM THEATER.
    Okay, die nackten, pinkelnden oder spuckenden Schauspieler auf der Bühne sind heute sozusagen Standard. Allerdings werden seit einigen Jahren statt Nackter vermehrt Leute mit E-Gitarren und Hartz-Vier-Empfänger eingesetzt. Aber zugegeben - in etwa jeder zweiten Aufführung zieht eine/r blank, rotzt, pinkelt oder wird unflätig. Aber, hey, wen stört das noch?

    IN JEDER RTL-TALKSHOW GEHT ES HEUTE HÄRTER ZU.
    Schluss mit den Klischees. Fangen wir besser mal ganz von vorne an. Warum sollte man wieder ins Theater gehen? Ich gehe mal von mir und meiner Frau aus. Wir haben durchaus Freude daran, uns schön was im Fernsehen anzugucken, den »Tatort« zum Beispiel. Das unterhält (ab und zu), das berieselt, das ist auch völlig in Ordnung, dazu gibt es Bier und Schnittchen, und man will am Wochenende ja auch, dass es nicht allzu anstrengend ist.
    Aber wir wollen uns eben nicht nur berieseln lassen, sondern die Birne am Laufen halten, ohne gleich Gehirnjogging-Freaks zu werden. Und dabei können Theaterbesuche helfen.
    THEATER HAT EINFACH WAS BESONDERES.
    Man hat dieses einzigartige Live-Erlebnis, man sitzt mit anderen Menschen gemeinsam zusammen, in gespannter Erwartung, was da jetzt passieren wird. Vorne auf der Bühne findet etwas statt, man beobachtet das, man muss es nicht mögen, aber man lässt es auf sich wirken, versucht es zu verstehen. Das ist heute im Theater gar nicht so einfach. Aber bevor ich jetzt zu den Problemen komme, erst mal zu den positiven Dingen.
    Ich habe gerade neulich in einem Artikel eines Hirnforschers gelesen, dass es nicht nur darum geht zu lesen, sondern über das Gelesene
auch zu reden, sich mit anderen auszutauschen, zu überlegen, wie man das Ganze findet und wie man es

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