Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)
spitzte die Ohren. Sie blickte sich suchend um.
Matt? Das ist die Stimme von Matt!
Er war da. Ganz nah.
Hinter ihnen.
Er kam aus dem Nebel auf sie zugerannt und brüllte ihre Namen.
Ambre war fassungslos. Nicht in der Lage, von ihrem Hund zu steigen, als handle es sich um eine Halluzination.
Tobias umarmte seinen Freund.
»Matt! Du lebst? Du lebst!«
Er drückte ihn jubelnd an sich, schob ihn dann weg, um ihn anzusehen und sich zu vergewissern, dass es wirklich sein Freund war, bevor er ihn wieder in die Arme nahm.
Matt war von Kopf bis Fuß mit klebrigem schwarzen Öl bedeckt und schien kurz davor, in Ohnmacht zu fallen. Seine Wangen waren hohl, seine Augen blutunterlaufen, und er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Zitternd sank er schließlich zu Boden.
»Ich wusste es! Ganz tief in mir habe ich es gewusst!«, schrie Tobias.
Jetzt erwachte Ambre aus ihrer Erstarrung und half Matt, sich das Gesicht am Fell der beiden Hunde abzuwischen. Plusch grunzte vor Freude und versuchte, ihren ölverschmierten Herrn sauber zu lecken.
»Wo kommst du her? Wie hast du das gemacht?«, fragte Ambre ungläubig.
»Das erzähle ich euch später«, keuchte er. »Wir müssen schnellstens hier weg.«
»Das Herz von Entropia ist ganz nah«, meinte Tobias. »Wir sind fast da …«
»Eben, wir dürfen da auf keinen Fall rein. Er will Ambre, er will das Herz der Erde, er darf es nicht in die Finger kriegen, auf keinen Fall!«
»Woher weißt du das?«
»Das ist eine lange Geschichte! Die Vögel haben euch gesehen.«
»Ich wusste es!«, fluchte Tobias. »Es waren so viele, und bei dem Nebel … Vielleicht können sie sogar hindurchsehen! Wie werden wir die nur los?«
»Ich glaube, im Moment sind alle ein wenig … durcheinander. Ich habe gerade einen Foltergeist zerstört, von innen heraus. Das dürfte uns einen kleinen Vorsprung verschaffen. Aber wir müssen schleunigst aus diesem Nebel raus. Helft mir, ich kann nicht aufstehen.«
Tobias stützte ihn und half ihm, auf Plusch zu steigen. Danach setzte er sich hinter Ambre auf Gus.
Die beiden Hunde galoppierten durch die Aschewolke, die den Osten Kanadas bedeckte, auf die amerikanische Grenze zu, oder das, was davon noch übrig war. Sie mussten so schnell wie möglich zurück nach Eden.
Matt klammerte sich an Pluschs Fell fest, so gut es ging. Alle Kraft war aus ihm gewichen. Die Seele und das Herz des Foltergeists zu zerstören, war gar nicht so schwer gewesen, da er den Überraschungseffekt genutzt hatte. Die Flucht zurück zur Höhle des Verschlingers war sehr viel abenteuerlicher gewesen. Die Mücken hatten sich in Schwärmen auf ihn gestürzt, und Matt hatte verzweifelt um sein Leben gekämpft. Dann hatte er die Kauwerkzeuge der Spinne zertrümmert und so lange auf den Höhlenmagen geschlagen, bis dieser ihn hochgewürgt hatte.
Nachdem der Foltergeist ihn ausgespuckt hatte, war seine leere Hülle zu Boden gesackt und hatte sich in Luft aufgelöst. Matt war durch Entropia getaumelt und hatte die Namen seiner Freunde gerufen, da er wusste, dass sie nicht weit sein konnten.
Entgegen aller Erwartungen war Matt noch am Leben.
Übel zugerichtet, aber lebendig. Bei Ambre und Tobias. Auf Pluschs Rücken.
Abermals floh die Gemeinschaft der Drei vor einer übermächtigen Gefahr.
50. Ein Perverser und eine Schlange
I n der Kloake unter der Festung im Pass der Wölfe blickte Doktor Gélénem bewundernd auf den Nabelring, den er in der Hand hielt. Der Verschluss war mit bloßem Auge nicht zu erkennen.
»Perfekt«, sagte er. »Ein Meisterwerk der Schmiedekunst!«
Seine Worte waren an Zelie und Tim gerichtet, die auf einem Tisch in einem der unterirdischen Säle lagen.
»Schon erstaunlich«, fuhr der hagere Mann mit dem dünnen Schnurrbart fort, »dass ein einfacher Ring aus einer minderwertigen Legierung ausreicht, um euch den eigenen Willen zu rauben. Im Grunde ist es, als hättet ihr wieder eine Nabelschnur! Ihr seid völlig unselbständig, abhängig von der übermächtigen Mutter! Wunderbar! Es ist eine Art natürlicher Reflex. Wie bei Katzen, die erstarren, wenn man sie am Genick packt!«
»Wir sind keine Katzen!«, rief Zelie empört. »Sie quälen menschliche Wesen! Kinder!«
»Nur zu unserem eigenen Schutz!«, sagte der Unschuldstrinker, der dem Doktor über die Schulter blickte. »Ihr Bälger seid nicht in der Lage, zu gehorchen und euch in die gesellschaftliche Ordnung einzufügen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ihr alles auf den Kopf
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