Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)
Wie funkelnde Streifen auf einer Autobahn. Während er sie beobachtete, wurde er von einer seltsamen Ahnung gepackt. Plötzlich hatte er den Eindruck, dass die Sterne etwas transportierten. Aber keine Materie, sondern eher abstrakte Teilchen … Sie waren mit Wissen geladen.
Er hatte keine Erklärung dafür, es war bloß eine Gewissheit ganz tief in ihm drin. Matt betrachtete den schillernden Reigen des Wissens. Hier im gruseligen Inneren eines Foltergeists.
Mit einem Mal wurde ihm klar, dass dieser Himmel nicht einzigartig war, sondern dass er der gemeinsame Himmel aller Foltergeister war. In dieser Zwischenwelt schien Matt offenbar Zugang zu gewissen universellen Wahrheiten zu haben.
Die Foltergeister teilen sich also einen Himmel in ihrem Inneren. Wohin geht all dieses Wissen? Wozu nützt es?
Plötzlich stand er vor dem Wald, auf den er so lange zugelaufen war.
Matt blinzelte, als erwache er aus einem tiefen Schlaf, und brauchte eine Weile, bevor er begriff, dass er die Ebene endlich hinter sich gelassen hatte. Sein Marsch durch die Ödnis hatte ihn ganz benommen gemacht.
Vor ihm erhob sich undurchdringliches Dickicht. Matt lief am Waldrand entlang, vorbei an verkrüppelten Baumstämmen und toten Ästen. Dornenranken wickelten sich wie Tentakeln um seine Knöchel, sobald er dem Unterholz zu nahe kam. Als er nach einer Weile einen Weg entdeckte, der in den Wald hineinführte, schlug sein Herz schneller.
In einiger Entfernung flog ein Schwarm Mücken über die Ebene.
Das Immunsystem des Foltergeists. Seine Abwehr gegen Eindringlinge.
Wussten die Mücken, dass er hier war?
Der Verschlinger weiß es … Aber mit etwas Glück denkt er, dass ich an die Oberfläche zurückgekehrt bin!
Matt beschleunigte seine Schritte, drang in das Labyrinth aus toten Pflanzen ein und folgte dem Pfad. Immer mehr Mücken schwirrten von den Hügeln herab über die Ebene. Sie legten die Entfernung in rasender Geschwindigkeit zurück. Mehrere Schwärme hielten geradewegs auf den Wald zu.
Als Matt es am wenigsten erwartete, stieß er urplötzlich auf das Herz des Foltergeists. Er hatte fast schon vergessen, warum er überhaupt durch den Wald lief.
Die Hütte stand in der Mitte einer kleinen Lichtung.
Vielmehr handelte es sich um einen Betonbunker. Stahlträger ragten wie Fernsehantennen aus dem Dach.
Der Bunker hatte keine Tür, stattdessen führte ein finsterer Gang ins Innere.
Matt spürte, wie sich sein Puls beschleunigte.
Er näherte sich der Öffnung und schlich lautlos hinein. Seine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit. Hinter einer Biegung schimmerte ein schwaches Licht. Matt blieb wie angewurzelt stehen.
Ein Computerbildschirm.
Er stand ganz hinten an der Wand und verbreitete einen bläulichen Schein. Ein leerer Bildschirm.
Davor saß in einem Kunstledersessel ein Wesen, das einen Umhang mit breiter Kapuze trug und gebannt auf den Bildschirm starrte.
Matt sah keine Tastatur, kein Computergehäuse, keine Kabel, nur den Monitor.
»Ggl«, kam es mit einer heiseren Stimme unter der Kapuze hervor. »Ggl.«
Das Zischen zwischen den Konsonanten war schwer zu verstehen. Die erste Silbe klang eigentlich gar nicht wie »Ga«, wie er bisher gedacht hatte, sondern wie »Go«, zumindest aus dem Mund dieses Wesens.
»Sprich!«, befahl eine synthetische Stimme aus dem Bildschirm. Sie klang tief und unmenschlich, einfach grauenvoll.
»Ggl! Gebieter! Die Quelle ist da, ganz nah! Wir haben sie erneut geortet, unsere Augen am Himmel haben sie gesehen! Ich folge ihr! Ich kann sie fassen!«
»Wo ist sie?«, fragte die Stimme auf dieselbe furchteinflößend herrische Art.
»Sie ist immer noch in einer Leblosen, und sie nähert sich Euch, Ggl! Sie steht vor Euren Toren! Sie ist ganz nah am Quellcode des Netzwerks!«
»Sie kommt zu mir? Dann lass sie passieren, Diener Repbuck!«
Jetzt kannte Matt einen Teil der Identität des Foltergeists.
Repbuck! Was für ein merkwürdiger Name!
»Ich soll nichts tun?« Die Gestalt im Umhang war fassungslos. »Ich könnte sie fangen. Die Leblose sieht mich nicht! Lasst mich sie ergreifen, Gebieter!«
»Nein!«, schrie die Stimme so laut, dass Matt beinahe das Trommelfell platzte. »Ich will sie selbst in mich aufnehmen! Sie ist fast bei mir angelangt! Die Quellenergie gehört mir!«
Matt zuckte zusammen.
Vor seinem inneren Auge liefen die letzten Wochen im Zeitraffer vorbei.
Er hatte sich getäuscht.
Matt dämmerte, dass er alles falsch interpretiert hatte. Er war zu sehr
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