Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)
Stimme von der Tür.
Alle fuhren zu einem alten, weißhaarigen Mann mit hagerem Gesicht und leuchtenden Augen herum: König Balthazar, umgeben von seinen Männern.
Bevor er eine Bewegung machen konnte, war Doktor Gélénem von zwei Soldaten umstellt.
Eine Tür knarrte.
Der Unschuldstrinker flüchtete in den Nebenraum.
»Er entkommt uns!«, schrie Maylis und rannte ihm nach.
Grimm warf sich ihr mit seinem massigen Körper in den Weg und packte sie bei den Schultern.
»Verfluchte kleine Verräterin!«, fauchte er mit zusammengebissenen Zähnen. Da rollte sich plötzlich eine Schlange um seinen Hals, und Grimm riss verblüfft die Augen auf.
Balthazar stand direkt hinter ihm, eine Hand in seine Richtung gestreckt. Die Schlange kroch langsam und bedrohlich aus seinem Ärmel.
»Lassen Sie sie los, Grimm«, befahl der König.
Das Reptil drückte fester zu, ein Röcheln erklang aus Grimms Kehle, und er gab Maylis frei.
»Wohin ist er?«, fragte der König.
Grimm zerrte mit beiden Händen an der Schlinge um seinen Hals.
»Wohin?«, fragte der König noch einmal.
»Es ist … ein Labyrinth … Sie … werden … ihn … nie finden.«
Maylis las die Wut in den Augen des Königs, und die Schlange drückte noch ein bisschen fester zu. Jeden Moment würde sie Grimm töten.
Maylis legte dem König eine Hand auf den Arm.
»Balthazar, nicht«, sagte sie. »Es wurden schon zu viele Leben geopfert.«
Der Zorn des Königs legte sich augenblicklich. Er ließ die Schlange zurück in seinen Ärmel gleiten, während Grimm in sich zusammensank.
Maylis schloss ihre Schwester in die Arme. Zelie kam schwach blinzelnd wieder zu sich.
Im Hintergrund sah sie Tim, der auf dem Tisch lag und die Decke anstarrte. Der Junge reagierte nicht mehr.
Sein T-Shirt war ein Stück hochgerutscht.
In seinem Bauch steckte ein Nabelring.
Blut rann seine Hüfte herab.
51. Ambres Vermutung
P lusch und Gus gaben alles.
Unermüdlich trugen die beiden Hunde ihre Reiter durch den grauen Nebel, wichen den Angriffen von Rieseninsekten aus und warfen sich in Nischen und Winkel, um den Blicken der Vögel zu entkommen, die tief über dem Boden dahinflogen.
Kurze Pausen, um zu trinken und etwas zu verschnaufen, dann rannten die beiden weiter. Wenn es zu dunkel wurde, schliefen sie wenige Stunden an die drei Jugendlichen geschmiegt, dann ging der Wahnsinnsritt weiter.
Am zweiten Abend waren sie fast auf der Höhe von Quebec angelangt, als Tobias eine kleine Höhle entdeckte, in der sie Unterschlupf fanden. Dort wagten sie es endlich, ihren Gaskocher anzuzünden und sich zwei Packungen gefriergetrockneter Nudeln mit Eiern zuzubereiten.
Etwas Warmes in den Magen zu bekommen, tat ihnen gut. Die Hunde schliefen derweil tief und fest.
Unterwegs hatte Matt seinen Freunden von seinem Abenteuer im Foltergeist erzählt. Er kam nach und nach wieder zu Kräften, fühlte sich aber immer noch sehr schwach. Sollte es abermals zu einem Kampf kommen, würde es vielleicht sein letzter sein.
Am Abend, als Tobias eingeschlafen war, setzte sich Ambre zu Matt und fragte:
»Als du diesen Repbuck berührt hast und die ganzen Daten auf dich übergegangen sind, hast du da vielleicht gespürt, dass er Angst vor dem Herz der Erde hat?«
»Nein, ich glaube nicht. Warum?«
»Es ist nur, weil … Als ich das Herz der Erde benutzte, um den Foltergeist abzuwehren, funktionierte das recht gut, und ich nahm eine Art … Abscheu wahr. Ein Misstrauen, eine Angst. Ich glaube, sie hassen diese Kraft in mir.«
»Du hast doch irgendeine Idee, diesen Gesichtsausdruck kenne ich!«
»Ich frage mich, ob wir Ggl nicht auf dieselbe Weise zurückstoßen können.«
»Unmöglich. Im Inneren des Foltergeists habe ich verstanden, was er ist. Er ist unzerstörbar, er ist ein Netzwerk, er ist künstlich, kein Lebewesen im engeren Sinn des Wortes. Du könntest nichts gegen ihn ausrichten, nicht einmal mit dem Herz der Erde, da bin ich mir sicher. Und überhaupt, muss ich dich daran erinnern, dass er es absorbieren will?«
»Es in sich aufnehmen , hast du gesagt. Aber was, wenn wir ihn mit dem Herz der Erde bekämpfen? Er will es sich aneignen, um noch mächtiger zu werden. Was, wenn wir es ihm brutal aufdrängen? Anstatt zuzulassen, dass er es nach und nach in sich aufnimmt?«
»Das würde ihm nichts ausmachen, dazu ist er viel zu mächtig. Du hast doch am eigenen Leib erfahren, wie stark die Foltergeister sind. Du musstest alles geben, um nur einen einzigen abzuwehren. Und er ist der
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