Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)
lötzlich bebte die Erde.
Ein dumpfes Grollen, bei dem kleine Staubwolken aus den Mauerritzen brachen.
Matt sprang von seinem Stuhl auf. Es ging wieder los. Er rannte aus dem Haus und kletterte auf eine Steinbank, um die Umgebung überschauen zu können.
Eden war wie gelähmt. All seine jungen Einwohner starrten reglos und furchtsam auf den Horizont und warteten auf das Nachbeben.
Ein ohrenbetäubender Donner krachte los. Alle senkten die Köpfe und rückten enger zusammen.
Die Gärten!, schoss es Matt durch den Kopf. Er sprang von der Bank und rannte in Richtung Norden. Die Pans machten ihm den Weg frei. Sie ahnten, wie ernst die Lage war. In seinem Rücken hörte er ängstliches Gemurmel.
Die Obstwiesen und Gemüsegärten von Eden zogen sich über zehn Hektar am Flussufer entlang. Hie und da standen Scheunen und Hütten mit spitzen Dächern.
Von einer Reihe Apfelbäume stieg eine braune Rauchfahne auf. Die Erde bebte erneut, wieder begleitet von einem Grollen, das Schlimmes verhieß. Matt rannte zwischen den Obstbäumen hindurch, sprang über Erdbeerbeete und gelangte an den Rand einer von tiefen Furchen durchzogenen Ebene.
Zwei etwa zwölfjährige Jungen standen mit ausgestreckten Armen vor dem Gemüsegarten. Sie flankierten ein hochgewachsenes, kaum sechzehnjähriges Mädchen. Ihre blonden Haare schimmerten rötlich. Sie war so konzentriert, dass sie Matt nicht kommen sah. Ihr Blick war auf das andere Ende des Gartens am Flussufer gerichtet, und sie presste vor Anstrengung die Lippen zusammen. Dann öffnete sie die Hände und deutete auf den Boden. Eine neuerliche Schockwelle durchzuckte das Erdreich so heftig, dass Matt fast umgekippt wäre. Der aufgewirbelte braune Staub verdeckte kurz den Horizont, bevor ein Windstoß ihn über die Wipfel der Bäume beförderte.
Da erklang ein plätscherndes Rauschen, und die Furchen füllten sich mit Wasser.
Die drei Komplizen machten Freudensprünge und schrien vor Glück.
»Ambre!«, brüllte Matt. »Was zum Henker fällt euch ein?«
Das Mädchen zuckte zusammen und drehte sich zu Matt um.
»Was ist denn?«, fragte sie überrascht.
Matt deutete auf den Gemüsegarten.
»Was treibt ihr hier? Die ganze Stadt bebt!«
»Mel und Silvio haben eine Wasseralteration. Ich helfe ihnen, den Fluss hierher umzuleiten.«
Matt seufzte genervt.
»Wir haben das letzte Woche doch besprochen, und zwar nicht zum ersten Mal!«, entgegnete er. »Deine Kraft ist zu stark! Du schadest uns genauso viel, wie du uns nutzt! Die ganze Stadt hält jedes Mal den Atem an, die Tiere geraten in Panik, ganz zu schweigen von den Schäden an den Häusern!«
»Zu dritt erledigen wir in zehn Minuten das Wochenpensum von zwanzig Pans!«, erwiderte sie. »Und von nun an wird unser Gemüse ständig bewässert! Die Stadt muss sich ernähren. Wir können nicht länger auf die Reste in den Supermärkten zählen. Die Lebensmittel aus der Vorzeit gehen zur Neige, wir müssen uns selbst versorgen!«
»Ambre, wir stehen kurz vor dem Wintereinbruch! Wir können jetzt gar nichts anpflanzen!«
»Genau deshalb müssen wir uns jetzt darum kümmern. Dann sind wir bereit für die Aussaat im Frühling. Und überhaupt, findest du etwa, dass das hier ein winterliches Klima ist? Das Wetter erinnert eher an einen nicht enden wollenden Spätsommer!«
Matt nickte widerstrebend.
»Ja, aber du darfst die Kraft des Herzens der Erde, die in dir steckt, nicht benutzen, sie ist zu mächtig. Du beherrschst sie nicht.«
»Wenn ich nicht übe, werde ich es nie schaffen!«
»Aber dafür ist sie nicht gedacht!«
»Was weißt du schon? Trägst du das Herz der Erde etwa in dir? Nein! Also hör auf, mir ständig zu sagen, was ich tun und lassen soll! Immerhin haben uns meine Sommersprossen gezeigt, wo es sich befand, weißt du noch? Ich habe alles riskiert, um mich mit ihm zu vereinigen, vergiss das nicht!«
Matt kapitulierte. Ein vernünftiges Gespräch schien nicht möglich, und er wollte sich nicht schon wieder mit Ambre streiten. Er winkte ab.
»Mach doch, was du willst«, stieß er hervor und wandte sich ab.
Der Kieselstein hüpfte mehrmals über die Oberfläche des Flusses, bevor er abrupt im Wasser versank. Matt war traurig. Und dieses Gefühl hielt nun schon seit einem Monat an. Seit den ersten Streitigkeiten mit Ambre.
Dreieinhalb Monate zuvor war sie bei den Chloropanphyllikern vom Herz der Erde geschluckt worden, und eine gewaltige Energie hatte sich zu ihrer Alteration gesellt. Diese unheimliche Kraft hatte
Weitere Kostenlose Bücher