Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)
Wir kehren nach Entropia zurück.«
Die Wasseroberfläche des Flusses wurde unruhiger, riss das Schiff hin und her, und die Pans mussten sich mit Seilen festbinden, um nicht über Bord zu gehen. Auch die Hunde, die sich nicht in die Kabine sperren lassen wollten, wurden auf diese Weise gesichert.
Dann glitt das Segelschiff wieder in den dunkelgrauen Nebel, und der Sturm wurde heftiger.
Gleich darauf fuhren sie unter einem riesigen Schatten hindurch, der den Fluss überspannte: eine gigantische Brücke, die im Sturm ächzte und knarrte. Hin und wieder sausten Trümmer durch die Luft und klatschten ins Wasser.
Die Pans blickten ängstlich nach oben, stets darauf gefasst, dass ein Stahlträger sich ins Boot bohrte und es zum Sinken brachte.
Doch sie hatten Glück: Die Stahl- und Betontrümmer verschonten sie. Im peitschenden Wind schwankte das Schiff immer stärker, und obwohl sie alle Segel bis auf ein kleines ganz vorn eingeholt hatten, ließ es sich immer schwieriger steuern.
Im Handumdrehen waren sie völlig durchnässt und froren erbärmlich.
Da tauchte in der Finsternis ein Licht auf, zunächst ein diffuses, fernes Schimmern, doch bald wurden daraus mehrere nebeneinanderliegende bernsteinfarbene Punkte.
»Ist das eine Stadt?«, fragte Tobias. »Amy, kannst du etwas erkennen?«
»Ich sehe einen massiven Bau auf einem Hügel, etwa einen Kilometer vom Ufer entfernt. In mehreren Fenstern brennt offenbar Licht.«
»Ich glaube kaum, dass die Kreaturen Entropias bei ihren Streifzügen Lichter anzünden«, schrie Floyd, um das Unwetter zu übertönen.
»Und wenn es Menschen sind?«, brüllte Chen zurück. »Es könnte sich lohnen, nachzusehen, oder?«
Floyd drehte sich zu Matt um.
»Was meinst du?«
»Vielleicht habt ihr recht. Ich folge euch.«
»Schlimmer als hier kann es kaum sein!«, stöhnte Ambre und wischte sich den Regen vom Gesicht.
Als sie auf das Ufer zusteuerten, tauchten Landungsbrücken aus dem Nebel auf, und jenseits der Speicher einer ganzen Stadt.
Eine Großstadt an einem Hügel.
Und darüber thronte ein beeindruckendes Schloss mit einem gewaltigen Burgfried in der Mitte.
Sie erkannten es sofort.
Das Schloss Frontenac. Sie waren in Quebec angekommen.
Die Burg lag vor ihnen im düsteren Halbdunkel Entropias.
Ringsherum zuckten Blitze über den Himmel.
In mehreren Fenstern eines Stockwerks flackerten Lichter. Doch plötzlich erloschen sie innerhalb weniger Sekunden.
Dort lebte jemand. In diesem unheimlichen Nebel.
In einem riesigen Schloss.
37. Unerträgliche Wahrheit
M aylis sprang aus dem Schatten und baute sich urplötzlich direkt vor Tim im Flur auf. Der Junge zuckte erschrocken zusammen und stieß mit Zelie zusammen, die hinter ihm stand.
»Die Botschafterinnen?«, rief er verwundert. »Es tut mir leid, ich habe nicht aufgepasst, wo ich hinlaufe.«
»Tim«, sagte Maylis, »wir müssen mit dir reden.«
Er schluckte ängstlich und nickte dann, als wisse er bereits, worum es ging.
Sie führten den Jungen in eine kleine Bibliothek ganz in der Nähe, und nachdem sie sich vergewissert hatten, dass niemand zwischen den Regalen stand, nahm Maylis gegenüber von Tim an einem der beiden Lesetische Platz.
»Hast du uns etwas zu sagen?«, fragte sie.
»Ich … also … Um ehrlich zu sein, ist das eine etwas heikle Angelegenheit.«
»Wir hören«, erklärte Zelie.
Er holte tief Luft und legte los:
»Seit einigen Wochen habe ich da so einen Verdacht. Ich glaube, dass … Ich glaube, dass Colin Briefe fälscht.«
Den letzten Satz sagte er ganz rasch, um nicht den Mut zu verlieren.
Zelie und Maylis warfen sich einen wissenden Blick zu.
»Ihr habt es schon geahnt, oder?«, fragte er. »Ihr habt einen Spion geschickt, stimmt’s?«
»Deshalb hast du neulich also die Sache mit der kaputten Schublade auf deine Kappe genommen, hm?«, wollte Maylis wissen.
»Ich dachte gleich, dass ein Spion bei uns in der Poststelle gewesen sein musste. Wer sonst hätte in Colins Büro eine Schublade aufbrechen sollen? Ich habe nur getan, was ich für das Beste hielt. Für uns.«
»Das hast du sehr gut gemacht!«, beruhigte ihn Zelie. »Du hast meine Schwester gerettet.«
»Ihr wart das?«, fragte er erstaunt. »Persönlich?«
»Na ja, unsere Spionagenetz ist recht … wie soll ich sagen? Klein.«
»Eigentlich beschränkt es sich auf uns beide«, ergänzte Zelie mit einem schiefen Lächeln. »Deshalb brauchen wir deine Hilfe.«
»Meine Hilfe?«
Tim fiel aus allen Wolken. Dann strahlte er
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