Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)
allein von Ambres Willenskraft.
Es war ein sechzehn Meter langes, ziemlich verrostetes Boot mit riesigen Spinnennetzen in der Takelage, recht beeindruckend in seiner Größe und schwer zu manövrieren.
Tobias war der Einzige an Bord, der ein wenig Ahnung vom Navigieren hatte. Er überwachte das Setzen der Segel und übernahm dann das Steuerruder, damit Ambre sich ausruhen konnte. Doch solange sie nicht weit genug von der Stadt weg waren, wollte sie sich keine Pause gönnen und schickte ihn fort.
Amy nahm all ihren Mut zusammen und kletterte am Mast hoch, um sich dort oben einen Ausguck zu bauen. Sie spannte eine Wolldecke zwischen den beiden Strickleitern, die zu beiden Seiten des Masts schräg hinunter zum Deck führten. In diese Konstruktion setzte sie sich wie in eine Hängematte.
Die anderen ließen sich neben den Hunden auf den Holzplanken nieder.
Matt starrte in die Finsternis, die sie umgab. Es bereitete ihm Sorgen, dass sie blind navigieren mussten. Drohten sie nicht jederzeit gegen einen Betonklotz, ein Schiffswrack oder einen Brückenpfeiler zu krachen?
»Ich frage mich, ob wir nicht besser anlegen und warten sollten, bis der Tag anbricht«, sagte er. »Ambre kann das Boot nicht ewig anschieben, und sie sieht auch nicht mehr als wir. Wir laufen Gefahr, irgendwo gegenzufahren.«
»Die Stadt ist noch zu nah!«, entgegnete Chen.
»Außerdem ist Amy dort oben, sie kann in der Dunkelheit sehen und wird Ambre warnen, wenn sie ein Hindernis entdeckt«, erklärte Floyd.
»Falls sie in dem Nebel irgendetwas erkennen kann!«, erwiderte Matt.
»Ich spüre unsere Umgebung«, sagte auf einmal Ambre mit konzentrierter Stimme. Sie hielt die Augen geschlossen. »Ich weiß instinktiv, wo Hindernisse sind.«
Sie sprach stockend, ihre Aufmerksamkeit war auf etwas anderes gerichtet.
»Gut, dann kann sich Amy auf den Himmel konzentrieren«, meinte Floyd. »Wenn eins der Insekten auftaucht, können Tania und Tobias es abschießen.«
»Das wird nicht nötig sein«, sagte Matt.
»Wieso bist du dir da so sicher?«
»Weil uns kein Insekt mehr verfolgt, seit wir aus der Stadt geflohen sind.«
»Seltsam«, murmelte Tania.
»Oder auch nicht.«
Alle Blicke waren auf Matt gerichtet.
»Wieso sagst du das?«, fragte ihn das Mädchen.
Matt atmete tief ein. Er musste sich ihnen anvertrauen. Das war er ihnen schuldig, selbst wenn es bedeutete, dass er sich die unerträglichen Schmerzen ins Gedächtnis rufen musste, die ihm der Foltergeist zugefügt hatte.
»Als ich dem Foltergeist ins Gesicht fassen wollte, haben meine Finger ins Leere gegriffen. Doch dann wurde ich von einer seltsamen Kraft erfasst. Etwas Eiskaltes drang in meinen Körper ein, keine Ahnung, wie, aber es gelangte bis in mein Gehirn.«
»Willst du damit sagen, dass es in dir war?«, fragte Tania angeekelt. »In deinem Körper?«
»Ich konnte nichts dagegen machen. Ich spürte, wie es meinen Geist durchsuchte.«
»Und, konnte der Foltergeist etwas in Erfahrung bringen?«, fragte Tobias besorgt. »Über uns?«
Matt nickte finster.
»Ich weiß aber nicht genau, was.«
»Wir haben ihn also gar nicht besiegt«, murmelte Chen, dem plötzlich ein Licht aufgegangen war. »Er ist aus freien Stücken über Bord gesprungen.«
»Ich fürchte, ja«, bestätigte Matt.
»Aber er ist stärker als wir«, wandte Floyd ein. »Warum ist er dann geflohen?«
»Weil er gefunden hatte, was er suchte. Deshalb ließ er uns entkommen. Ihm war es wichtiger, die Information so schnell wie möglich mit den anderen Foltergeistern zu teilen.«
»Und mit Gagöl«, ergänzte Tobias.
»Du sprichst es nicht richtig aus«, versuchte Chen zu scherzen, doch er erntete nicht das leiseste Lächeln.
»Wer oder was ist dieser Gagöl eurer Meinung nach?«, fragte Tania.
»Keine Ahnung, aber er muss recht wichtig sein«, erwiderte Tobias ironisch.
»Vielleicht eine Art Gottheit«, vermutete Floyd.
»Nachdem ich ihre Welt kenne, will ich nicht wissen, wie ihre Gottheit aussieht!«, stöhnte Chen.
»Ich denke, dass dieses Wesen noch weiter im Norden lebt«, meinte Matt. »Während unserer Flucht zuckten hoch im Norden rote und blaue Blitze, woraufhin die Stelzenläufer und Insekten anfingen, seinen Namen zu rufen. Wer auch immer Gagöl ist, er lebt inmitten dieser Blitze.«
»Es sind dieselben Blitze wie die, die während des Sturms die Erwachsenen in Luft auflösten«, sagte Tania und knetete nervös ihre Hände.
Floyd griff ihren Gedanken auf:
»Vielleicht ist Gagöl ja die Ursache
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