Alterra. Im Reich der Königin
Instinktiv streckte er die Hand nach seiner Waffe aus, doch dann besann er sich. Er konnte sie nicht unter seiner Kleidung verbergen, und wenn die Zyniks ihn damit erwischten, würden sie wissen, dass er bei Plusch gewesen war. Widerstrebend verzichtete er auf seine zweite Haut.
Die Luke im Vorderdeck durfte er nicht mehr nehmen, das war zu riskant. Wenn sie ihn da herausklettern sahen, würde Plusch mächtig Ärger bekommen.
Matt durchquerte den Frachtraum und schlug den Gang zu den Kajüten ein. Nachdem er die Laterne in seiner Kabine verstaut hatte, stieg er mit Unschuldsmiene durch die Hauptluke.
Kaum stand er an Deck, schlossen sich von hinten zwei Hände um seine Kehle.
»Wo warst du?«, brüllte der Soldat.
Obwohl er kaum Luft bekam, versuchte Matt, ein verdattertes Gesicht aufzusetzen.
»Na, in meiner Kabine!«
»Du lügst«, drang die barsche Stimme des Beraters an sein Ohr. »Dort habe ich vor einer Minute selbst nachgesehen.«
»Da war ich gerade auf dem Klo«, behauptete Matt, ohne mit der Wimper zu zucken. »Das ist ja wohl erlaubt, oder?«
Erik baute sich drohend vor ihm auf.
»Wenn du uns hinters Licht führen willst, denk daran, dass deine Hündin dafür büßen wird.«
Die behandschuhten Hände ließen von ihm ab, und Matt rieb sich den Hals, um das Würgegefühl loszuwerden.
»Was regen Sie sich so auf? Ich kann hier ja sowieso nicht weg«, sagte er bissig.
Er stapfte davon, setzte sich auf ein Fass und betrachtete die üppige Vegetation, die am Ufer vorbeizog.
Plusch ging es gut. Eine Sorge weniger.
Aber das Fluchtproblem war damit noch nicht gelöst.
Nach dem Abendessen ging Matt an Deck frische Luft schnappen und setzte sich auf die Reling. Die Tischgespräche mit dem spirituellen Berater wurden immer unerträglicher. Erik bombardierte ihn mit Fragen zu den Pans und ihrer Lebensweise, und obwohl Matt die meiste Zeit schwindelte, musste er hin und wieder mit der Wahrheit herausrücken, um Plusch nicht allzu sehr zu gefährden. Während sie auf dem Fluss waren, kam er damit einigermaßen durch, weil der Berater Matts Behauptungen nicht mit den Informationen seiner Spitzel vergleichen konnte, aber früher oder später würde das ganze Lügengebäude in sich zusammenstürzen.
Lange würde das nicht mehr gutgehen.
Außerdem war es extrem anstrengend, während der Unterhaltung alles im Kopf zu behalten, um sich später nicht in Widersprüche zu verwickeln. Das verlangte ihm jedes Mal ungeheure Konzentration ab.
Zum Glück gewährte ihm der Berater nach dem Essen eine Stunde Ausgang, zum Verdauen.
Matt wusste immer noch nicht, was die Königin von ihm wollte, aber der Berater legte offenbar Wert darauf, ihn gesund und wohlbehalten zu übergeben.
Das muss nichts heißen, vielleicht will sie mich lieber eigenhändig umbringen …
An der Ruderpinne diskutierten zwei Offiziere leise miteinander. Matt spitzte die Ohren.
»Morgen?«, fragte der eine, der einen Hut aufhatte.
»Ja, aber fragt sich nur, wann. Wenn wir es bis zum frühen Nachmittag schaffen, öffnen sie uns die Schleuse, danach können wir es vergessen. In diesem Fall sollten wir besser nicht zu nah an der Stadt vor Anker gehen.«
»Hast du schon mal einen Schattenfresser gesehen?«
»Spinnst du? Nach Einbruch der Dunkelheit setze ich in Henok keinen Fuß mehr nach draußen. Ich sag dir was: Die Draufgänger, die überall herumgeprahlt haben, was für tolle Jäger sie sind, sind jetzt nur ein Haufen Knochen in den Höhlen dieser Viecher.«
Matt sprang von der Reling und ging zu den beiden Männern hinüber.
»Was ist ein Schattenfresser?«, fragte er.
Die Offiziere beäugten ihn misstrauisch.
»Fürchtest du dich im Dunkeln?«, fragte der Mann, der am Steuer stand.
»Eigentlich nicht.«
»Nun, die Schattenfresser würden dich das Fürchten schon lehren.«
Der andere fiel in sein dreckiges Lachen ein.
Da erschien der spirituelle Berater an der Luke. Wie immer hatte er sich völlig lautlos bewegt.
»Die Schattenfresser sind Monster, die in den Höhlen über Henok hausen«, sagte er, woraufhin das Gelächter schlagartig verstummte. »Sie schwärmen erst aus, wenn es dunkel wird, und ernähren sich von den Schatten aller Lebewesen, die sie finden können. Sie jagen in Horden. Es sind schnelle, grausame und sehr geschickte Raubtiere.«
»Sie fressen
Schatten?
«, wiederholte Matt.
»Ein Wesen ohne Schatten ist kein angenehmer Anblick, das kannst du mir glauben. Ein Grund mehr, schön brav bei uns zu bleiben!
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