Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alterra. Im Reich der Königin

Alterra. Im Reich der Königin

Titel: Alterra. Im Reich der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
Vom Netzwerk:
Wenn du dich allein und völlig schutzlos in ihr Territorium wagst, hast du keine Chance, ihnen zu entkommen.«
    »Und wie halten sich die Einwohner von Henok diese Dinger vom Leib?«
    »Die Stadt liegt zum Großteil in einer Höhle im Berg. Bei Sonnenuntergang werden alle Luken geschlossen, und bis zum Morgengrauen darf niemand hinein oder hinaus. Deswegen wird die
Charon
auch ein gutes Stück vor der Stadt anlegen und bis zum nächsten Morgen warten, wenn wir Henok nicht rechtzeitig vor Anbruch der Dämmerung erreichen. Die Schattenfresser fürchten das Sonnenlicht und bleiben tagsüber in ihren Schlupflöchern.«
    »Also sind sie so was wie Vampire?«
    »Nein, die Schattenfresser sind noch viel schlimmer.«
    Der spirituelle Berater schlenderte davon und ließ sich in einem geschützten Winkel nieder, um seine abendliche Zigarre zu rauchen. Matt hatte noch eine Stunde, bevor er zum Schlafen in seine Kabine geschickt werden würde.
    Die Lage wurde immer kniffliger. Unterwegs saß er auf dem Schiff fest, und sobald sie in der Stadt waren, konnte er nur am helllichten Tag entwischen.
    Matt warf einen Blick auf den Bordkompass: Seit Babylon führte der Fluss sie kontinuierlich südwärts. So wusste er wenigstens, in welche Richtung er fliehen musste, um zu den Pans zurückzukehren: geradewegs nach Norden.
    Aber war der Zweck seiner Reise schon erfüllt? Der Berater weigerte sich, Matts Fragen zu beantworten, und die Männer waren in seiner Gegenwart nicht sonderlich gesprächig.
    Um wirklich aufschlussreiche Informationen zu gewinnen, musste er seine Suche fortsetzen.
    Malronce würde ihm alle Antworten liefern können.
    Aber zu welchem Preis? Und werde ich danach jemals wieder zurückkehren?
    Da vernahm er ein Geräusch, das er zunächst für das Knattern eines Segels im Wind hielt, bevor ihm einfiel, dass der Kielwurm gerade seine Arbeit verrichtete und die Segel gar nicht aufgezogen waren. Er drehte sich um und sah eine Eule mit großen gelb-schwarzen Augen auf der Reling sitzen.
    Unwillkürlich wich er vor dem Raubvogel zurück.
    Waren Eulen seit dem Sturm auch wild und gefährlich geworden?
    Doch das Tier wirkte nicht aggressiv, es starrte Matt nur aus runden Augen an.
    Also beschloss er, es einmal anders zu versuchen, und holte den Apfel hervor, den er beim Abendessen eingesteckt hatte, falls er in der Nacht Hunger bekäme. Mit dem Fingernagel kratzte er ein Stück aus der Frucht heraus und hielt es der Eule hin, doch die rührte sich nicht.
    In diesem Moment entdeckte er den zusammengerollten Zettel, der ihr um den Fuß hing.
    Diese Methode kenne ich doch! So verschicken die Zyniks geheime Nachrichten!
    Er sah sich um, ob sonst noch jemand den Vogel bemerkt hatte, und trat näher. Wenn er die Eule erschreckte, würde sie sicher sofort wegfliegen, und die Botschaft ginge verloren. Das geschähe den Zyniks nur recht …
    Kurz bevor er die Hände hob, um den Vogel zu verscheuchen, kamen ihm Zweifel.
    Nein, das passt nicht zu den Zyniks. Solche Botschaften konnten sie vor dem Angriff auf die Carmichael-Insel nur verwenden, weil Colin mit ihnen unter einer Decke steckte und seine Alteration benutzte.
    Und wenn Colin bei den Zyniks angeheuert hatte, um für sie Vögel abzurichten?
    Unmöglich, er ist ertrunken!
    Matt streckte vorsichtig die Hand nach dem Zettel aus. Er hatte Angst vor dem spitzen Schnabel der Eule.
    Die kleine Papierrolle ließ sich leicht abziehen, und er stellte sich neben eine Laterne, um die Nachricht zu lesen.
    »Wir sind hinter dir, mach dich bereit zur Flucht. Bei nächster Gelegenheit greifen wir ein. Ambre und Tobias.«
    Unglaublich. Sie waren ihm tatsächlich gefolgt!
    Aber Matts Freude erstarb sofort, als er an die vielen bewaffneten Soldaten an Bord dachte. Er musste seine Freunde warnen.
    Hier durften sie auf keinen Fall zuschlagen.
    Matt hielt vergebens nach einem Stift Ausschau. In seine Kabine konnte er nicht gehen, ohne den Berater misstrauisch zu machen. Womöglich flog die Eule in der Zwischenzeit davon, oder die Zyniks fingen sie ein, um sie in den Kochtopf zu werfen.
    Nein, er musste nehmen, was sich an Ort und Stelle bot. Matt ging zu einem hervorstehenden Nagel, über den er vorhin fast gestolpert wäre, kniete nieder und drückte seinen Zeigefinger so lange auf die Spitze, bis ihn ein jäher Schmerz durchzuckte und Blut hervorquoll.
    In krakeligen roten Buchstaben schmierte er auf die Rückseite des Zettels:
    »Nein, Schiff wird bewacht. Haue in Henok ab, bereitet Fluchtmittel

Weitere Kostenlose Bücher