Alterra. Im Reich der Königin
freuen konnte, tauchte der Unschuldstrinker hinter ihr auf.
»Was machst du da? Hast du den Verstand verloren? Du wirst uns umbringen!«
»Tobias und Matt warten unten im Tal auf uns, wir müssen sie dort aufsammeln!«
»Und deswegen hast du mich eingeschlossen? Du kleines Biest, lass sofort das Steuer los!«
Ambre klammerte sich so fest an den Pilotensitz, dass der Unschuldstrinker sie nur mit Gewalt herunterzerren und die Gondel stabilisieren konnte. Als er sah, dass Ambre weglaufen wollte, drückte er sie gegen die Wand.
»Ich bin der Kommandant an Bord!«, brüllte er und besprühte dabei ihr Gesicht mit Speichel.
»Wollen Sie den Jungen, den die Königin unbedingt haben will, immer noch zu sich holen? Dann tun Sie es jetzt!«
Der Unschuldstrinker brach in schallendes Gelächter aus.
»Ach, wie naiv du doch bist, du armes Ding.«
»Sie haben versprochen, uns zu helfen!«
»Gerade diese Treuherzigkeit, diese süße Unschuld liebe ich so an euch anderen.«
»Aber … Ich … Ich habe mich vor Ihnen ausgezogen!«
»Ah ja«, erwiderte er mit einem schmierigen Grinsen. »Und dafür danke ich dir auch vielmals. Wenn du wüsstest, welches Vergnügen du mir damit bereitet hast!«
Außer sich vor Wut und Scham, rammte Ambre ihm das Knie zwischen die Beine. Der Unschuldstrinker schrie auf, ließ sie aber nicht los. Ambre versuchte, sich seinem Griff zu entwinden, und verdrehte ihm mit einem Ruck den Arm.
»Genug ist genug! Ich bin sicher, dass der Ring deinen Wert nicht mindern wird. Komm mit, du kleine Nervensäge!«
Er packte ihre Handgelenke und zerrte sie in den hinteren Bereich des Luftschiffs. In der geheimen Kammer kettete er sie an die Wand, öffnete eine Schatulle aus Eisen und legte eine lange Hakenpinzette, eine Lochstanze und einen Nabelring bereit.
»Das wird dir ein für alle Mal den Mund stopfen.«
»Nein! Nicht! Tun Sie das nicht!«
»Das hättest du dir vorher überlegen sollen.«
Mit einer groben Handbewegung riss er ihre Bluse von unten her auf, bis ihr Bauchnabel zu sehen war, und wollte mit der Pinzette zustechen, doch das Mädchen kreischte und wand sich so wild, dass er die Stelle nicht erwischte.
»Wirst du wohl stillhalten!«
Er verpasste ihr eine so heftige Ohrfeige, dass Ambre ein paar Sekunden lang nichts hörte, aber als sie ihn mit der Lochstanze näher kommen sah, begann sie wieder zu strampeln.
»Jetzt reicht es aber«, schnaubte er.
Er ohrfeigte sie ein zweites und drittes Mal, doch ihr Lebenswille war stärker als der Schmerz. Sie trat mit dem Fuß nach ihm, und der Unschuldstrinker schlug zurück.
Ihre Ohren sausten, ihre Wangen brannten wie Feuer, aber Ambre wehrte sich weiter.
Bis ihre Kräfte nachließen und sie so benommen war, dass ihr die Sinne schwanden.
Als sie nicht einmal mehr wimmern oder mit den Fingern zucken konnte, sah sie, wie er nach seinen Folterwerkzeugen griff und sich zu ihr beugte.
Sie dachte an all die Stimmen zurück, die sie vor dem Unschuldstrinker gewarnt hatten.
Dass niemand gegen ihn gewinnen konnte.
Dass er durch und durch böse war.
Sie hätte ihn niemals um Hilfe bitten dürfen.
44. Zweitausend Stufen und
ein blutiger Kampf
J eder Soldat trug Lanze, Schwert und einen Harnisch aus Ebenholz. Trotz seiner außergewöhnlichen Stärke schätzte Matt seine Chancen auf null. Zwölf gegen einen, und noch dazu müsste er mit bloßen Händen kämpfen. Aussichtslos.
Sie sind angewiesen worden, mir kein Haar zu krümmen, daraus könnte ich doch Vorteil ziehen!
Nur dass sie ihn sicher lieber aufspießen würden, als dem spirituellen Berater zu beichten, dass ihnen der Junge entwischt war.
Dass sie ohne den Berater aufgebrochen waren, beunruhigte Matt. Kurz bevor sie die Herberge verließen, hatte er ein Gespräch zwischen dem Berater und Roger belauscht. Das Luftschiff des Unschuldstrinkers sei in der Stadt, und er sei um eine dringende Unterredung gebeten worden. Das ändere nichts an Rogers Auftrag. Er solle das Strategiepapier bei Tagesanbruch wie geplant zur Zitadelle der Ersten Armee bringen und die Bewachung des Jungen seinem besten Offizier anvertrauen.
Der Unschuldstrinker? Wer war denn das?
Das gefiel Matt ganz und gar nicht.
Die Soldaten betraten einen weiträumigen, hallenden Tunnel. Matt stockte der Atem, als er die Treppe der Leiden vor sich sah. Kein Geländer, keine Stütze weit und breit, nichts als ein paar Haken, die man in unregelmäßigen Abständen in den Fels geschlagen hatte, um eine Laterne daran aufhängen
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