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Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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sollten sie doch ihren Hanf rauchen, Kersek trinken, auf Ziele schießen, ihre Dolche schleudern, singen, bis sie heiser waren, trommeln, bis sie taub waren, und mit ihren Speeren auf den Boden stampfen, bis sie zerbrachen. Sie gehörte nicht mehr zu ihrer Welt. Sie gehörte jetzt der Erdenmutter.
    Der Tag nahm seinen Verlauf. Die Nomaden sangen, tranken Kersek und sangen weitere Lieder. Die Trommeln dröhnten in einem fort, während die Begräbnisspiele abgehalten und die Sieger geehrt wurden. Changar rezitierte eine endlose Ballade über Zuhan, und jeder Mann des Stammes fügte eine Strophe hinzu. Gegen Mittag gab es ein Festmahl aus geröstetem Hammelfleisch, und später reichten die Frauen Schalen mit Eintopf aus Pferdeinnereien herum. Während die Krieger aßen, zogen dunkle Wolken am Himmel über Zuhans Grab auf und nahmen die Farbe geronnener Milch an. Und während der ganzen Zeit stand Marrah mit stolz erhobenem Kopf da. Manchmal blickte sie Dalish an, manchmal Stavan, dann schweifte ihr Blick zu Akoah und zu den Sklavinnen hinüber, aber sie wehrte sich nicht länger. Zuerst fühlte sie Mut, aber nach und nach kroch wieder die Todesangst in ihr hoch, drückte wie ein Bleigewicht auf ihre Brust und machte ihren Mund trockener als den wollenen Knebel. Der Moment, in dem die menschlichen Opfer dargebracht wurden, rückte unausweichlich näher. Würde er jetzt kommen, als Changar vortrat und eine lange Kette aus Wolfszähnen um Vlahans Hals drapierte? Würde er kommen, wenn die Trommler einen anderen Rhythmus zu schlagen begannen?
    Plötzlich wußte Marrah genau, wann sie und die anderen geopfert würden: nicht, solange die Trommeln noch dröhnten und die Männer noch tanzten, sondern bei Sonnenuntergang. Denn die Nomaden glaubten, daß Han bei Sonnenuntergang ins Paradies zurückkehrte, um die Sterne zusammenzutreiben und sie auf die nächtliche Himmelsweide zu führen. Wenn Han ging, dann würden sie und Stavan und Dalish und Akoah und die Sklavinnen mit ihm gehen.
    Als wollte sie ihre Furcht verspotten, kam plötzlich eine kräftige Brise auf und blies die Wolken nach Süden. Die Säume der Nomadencapes flatterten, und die Schweife der toten Pferde um Zuhans Grab herum wehten im Wind. Der Wind war so stark, daß er den Pulverschnee von der Kuppe des Erdhügels aufhob und ihn wie Sand in alle Richtungen verstreute. Marrah schloß die Augen, als der Schnee in ihr Gesicht wehte und auf ihren Wangen brannte. Als sie die Augen wieder öffnete, riß die Wolkendecke am Himmel über ihr rasch wieder auf. Bald erschien die Sonne wie ein schwerer, tiefhängender Ball knapp über dem westlichen Horizont.
    Beim Anblick der untergehenden Sonne hielten die Trommler plötzlich inne, und einige Minuten lang standen alle wie erstarrt da. Dann wandte sich Changar um und verbeugte sich vor der Sonne. »Großer Han«, rief er, »wir grüßen dich!«
    »Großer Han«, stimmten die Krieger ein, »wir verehren dich!« »Gott unserer Väter ...«
    »Und unserer Großväter ...«
    »... der du unsere Feinde verfluchst, der du die Welt in deinem Blut badest...«
    »Bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang ...«
    Tatsächlich verfärbte sich der Himmel blutrot, noch während sie sprachen. Marrah beobachtete mit entsetzter Faszination, wie die Sonne tiefer und tiefer sank. Über dem glühenden Ball zeigten zwei langgezogene schmale Wolken wie Dolchklingen aufeinander. Hinter ihnen schossen Streifen von Zinnoberrot in den riesigen Himmel über der Steppe und verblaßten zu der Farbe geschmolzenen Goldes, während sie nach Osten reisten.
    Changar hatte seine ockerrot gefärbten Hände über den Kopf erhoben, so daß das rote Licht der untergehenden Sonne sie noch intensiver rot färbte. »Nimm deinen Diener Zuhan mit ins Paradies«, rief er. Plötzlich warf er den Kopf in den Nacken und heulte wie ein Wolf, und die Nomaden heulten mit ihm. Der Schrei des Hansi-Wolfsrudels erhob sich über Zuhans Grab, so einsam und so schrecklich wie der Tod selbst. Der unheimliche Klang verwandelte Marrahs Knochen in Eis, aber ihr blieben nur wenige Sekunden, um bei dem grausigen Geheul vor Angst zu schaudern. Bevor der letzte Schrei aus den Kehlen der Krieger verhallt war, ergriff Changar einen Bogen und löste die Sehne mit einer einzigen geschickten Bewegung. Während er sich die Enden um die Hände wickelte, ging er mit raschen Schritten auf das kleine dunkelhaarige Tcvali-Mädchen zu und erdrosselte sie so schnell und unbeteiligt, wie ein Koch einer

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