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Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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treffen, und die Männer rannten wie gehetzt davon, schrien Verrat und hieben wild mit ihren Dolchen in die Luft.
    Als sie sich den Hansi-Zelten näherten, sah Marrah, daß das Lager praktisch verlassen war. Nur einige wenige sehr alte Frauen huschten in panischer Angst umher, und ihre braunen Schals flatterten im Wind. Ein paar der Wachen, die zurückgeblieben waren, um Arang im Auge zu behalten, torkelten von Zelt zu Zelt, versuchten, Alarm zu schlagen, aber sämtliche Männer im Kampfalter waren mit Blindheit geschlagen. Am Rande des Lagers ritt ein halbes Dutzend gefährlich aussehender Krieger wie verrückt in Kreisen herum, während sie Drohungen schrien und Schlachtrufe ausstießen, die Marrah das Blut in den Adern hätten gefrieren lassen, wenn die Männer in der Lage gewesen wären, sie zu sehen. Als sie und die anderen vorbeigaloppierten, prallten zwei der bewaffneten Männer so hart aufeinander, daß sich ihre Pferde schrill wiehernd aufbäumten und ihre Reiter abwarfen. Marrah dachte flüchtig, wie die Priesterinnen von Nar bei diesem Anblick gelacht hätten.
    In vollem Galopp ritten sie ins Lager hinein, zerstreuten Feuer und ließen die alten Frauen wie verängstigte Mäuse in den Schutz ihrer Zelte flüchten. Zuhans Zelt war immer noch an derselben Stelle errichtet, und Arang stand davor. Er trug einen warmen Umhang, feste Stiefel und ein Paar Winterbeinlinge. Neben ihm auf dem Boden lagen zwei Bündel, mehrere Bogen und drei Wasserschläuche, prall gefüllt und ordentlich zugebunden. Marrah schoß der Gedanke durch den Kopf, daß er wie ein Reisender aussah, der auf ein Schiff wartete.
    Sie brachte ihr Pferd zum Stehen, sprang herunter und rannte zu ihrem Bruder. Jubelnd umschlang Arang sie mit beiden Armen, hob sie vom Boden und schwenkte sie überglücklich herum. Er mochte zwar den Körper eines Tänzers haben, aber seine Arme waren die eines Kriegers. Und was sein Herz betraf – das gehörte immer noch ihr.
    »Du hast dir ja reichlich Zeit gelassen«, sagte er trocken.
    Marrah lachte und weinte zugleich, als sie an Akoah dachte und wie nahe sie daran gewesen war, ihrem tödlichen Schicksal zu entfliehen, und sie dachte an ihre eigene Freude beim Anblick von Arang und der Aussicht auf Freiheit, und während sie unter Tränen lachte, weinte und lachte Arang mit ihr.
    Stavan reagierte wie gewöhnlich praktischer. »Was hast du in den Beuteln da ?« wollte er wissen.
    »Essen, Feuersteine, ein paar warme Kleider«, erklärte Arang.
    »Gut gemacht. Schnell, steig auf. Wir haben noch einen harten Ritt vor uns. Die Krieger werden nicht ewig blind bleiben, und wir müssen uns beeilen, damit wir einen guten Vorsprung vor den Fährtenlesern haben.«
    Hiknak hatte das Pferd eines der Wachtposten eingefangen, einen kräftigen Braunen mit einem breiten Rumpf und dunkler Mähne. Sie führte es vor das Zelt, und Arang schwang sich auf seinen Rücken. Er saß lässig da, hielt die Zügel mit einer Hand. Marrah bemerkte, daß ihr Bruder allmählich zum Mann reifte, und das Bewußtsein seiner Stärke verlieh ihr doppelte Kraft.
    »Die Göttin helfe mir«, sagte Arang, »aber inzwischen liebe ich diese Tiere.«
    »Dann laß sie uns mit zurück nach Shara nehmen!« rief Marrah, und damit zogen sie ihre Pferde herum und galoppierten zum Lager hinaus.
    Sie ritten die ganze Nacht hindurch. Kurz vor Einbruch der Morgendämmerung begann es zu schneien. Gegen Vormittag fielen die Flocken bereits so dicht und schwer, daß sie ihre Spuren beinahe so schnell wieder ausfüllten, wie sie sie hinterließen. Das Schneegestöber wurde immer stärker, wirbelte wie dichte Schleier im Wind und füllte den weiten weißen Himmel, verwandelte die Steppe in eine endlose Fläche von weichem Leinen; und es löschte alle Spuren ihrer Flucht. Als sie schließlich anhielten, um auszuruhen, baute Stavan eine Schneehöhle für sie, und sie lagen darin so warm und behaglich, als hätten sie in einem der Langhäuser von Xori geschlafen.
    In jener Nacht hatte Marrah einen Traum. Sie wanderte durch die Wälder. Plötzlich sah sie eine weiße Eule auf einem abgestorbenen Ast sitzen. Die Eule blinzelte; ihre Augen waren so gelb wie Gold. In ihren dunklen Pupillen sah Marrah die ganze Welt widergespiegelt: jeden Fels und jeden Stein, jeden Baum, jede Stadt, jeden Menschen, jedes Tier, alles, sogar die winzigen Vögel, die in ihren Nestern im hohen Gras hockten, und die Insekten, die nur einen Tag lang lebten. Als sie begriff, daß die Eule die

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