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Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde

Titel: Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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Kennst du den kalten Fluch? ›Kaltes Herz, kalter Kopf, kalte Lenden, kaltes Bett‹?« Sie schauderte.
    Luma hatte von Hiknak schon von diesem Fluch gehört. Es war ein schlimmer Fluch, den die Nomaden sehr fürchteten. Sie selbst hielt den kalten Fluch zwar für ausgemachten Unsinn, aber wenn er den Zweck erfüllte, Keru zu schützen, dann war sie voll und ganz dafür. Die Bitterkeit ihrer Enttäuschung wurde ein klein wenig gemildert, und sie dachte, daß es möglicherweise doch noch Hoffnung für Keru gab, wenn er Frauen mit Respekt behandelte. Sie fragte sich, ob er sich wohl nach all den Jahren noch an Shara erinnerte. Wieviel von ihm war Nomade und wieviel nicht? Sie versuchte, sich keine zu großen Hoffnungen zu machen. »Hat Keru jemals von mir oder unserer Mutter gesprochen oder den Wunsch geäußert, nach Shara zurückzukehren?« fragte sie.
    Bagnak leckte sich nervös die Lippen. »Er hat nie erwähnt, daß er gerne nach Shara zurückkehren würde, aber wenn wir beide allein waren, hat er oft von dir und eurer Mutter gesprochen. Er hat mir einmal anvertraut, daß er euch beide liebe, aber daß ihn die Erinnerung an eure Mutter sehr schmerze, weil sie ihn hasse und einmal geplant habe, ihn einem eurer Schlangengötter zu opfern.«
    »Was!« schrien Luma und Keshna empört.
    Erschrocken wich Bagnak ein paar Schritte zurück. »Ich hatte nicht die Absicht, irgend jemanden zu beleidigen. Ich habe nur wiederholt, was Keru mir erzählt hat.« Doch weder Luma noch Keshna nahmen von ihrer Entschuldigung Notiz, weil sie viel zu sehr damit beschäftigt waren, sich gegenseitig die offensichtliche Wahrheit zuzuschreien.
    »Changar hat ihn belogen!«
    »Wir müssen zu ihm!«
    »Ihn retten!«
    »Ihm die Wahrheit sagen!«
    Nachdem Bagnak ihnen alles erzählt hatte, was sie wußte, führten Luma und Keshna sie zu Marrah, oder genauer gesagt, sie versuchten es, aber Marrah war nirgendwo zu finden.
    »Sie ist unten am Strand, um ihr Netz auszuwerfen«, erklärte ihnen einer ihrer Cousins.
    Sie verließen das Haus mit Bagnak im Schlepptau, in der Absicht, schnurstracks zum Strand zu marschieren; doch als sie in einer der schmalen Straßen um eine Ecke bogen, liefen sie in Stavan hinein, der gerade von den Feldern kam und auf dem Weg nach Hause war. Er trug eine Hacke über der Schulter und einen Weidenkorb voller Kohlköpfe auf dem Rücken.
    »Aita Stavan!« rief Luma aufgeregt. »Stell dir vor, was passiert ist!« Sie erzählten ihm die ganze erstaunliche Geschichte über Keru hastig auf Hansi, während Bagnak stumm danebenstand und von Zeit zu Zeit nickte, wenn sie sie baten, eine Einzelheit zu bestätigen. Stavan hörte ihnen schweigend zu. Als sie fertig waren, setzte er seinen Korb mit Kohlköpfen ab, lehnte seine Hacke gegen die Stadtmauer und nahm Luma und Keshna beiseite.
    »Na, das ist ja eine großartige Neuigkeit, meine feinen Kriegerinnen«, sagte er schließlich. »Marrah wird Freudentränen vergießen, wenn sie erfährt, daß unser Sohn endlich gefunden wurde.« Er streckte eine Hand aus und wischte einen Schmutzfleck von Lumas Wange. »Genau wie du. Aber bevor ihr zu ihr geht, müßt ihr mir noch etwas sagen. Spricht diese Frau Sharanisch?«
    »Nein«, erklärten sie einstimmig.
    »Gut«, erwiderte Stavan, jetzt auf sharanisch. »Ich werde trotzdem meine Stimme dämpfen, damit sie mich nicht hören kann. Verratet mir eines: Als ich euch zu Kriegerinnen ausgebildet habe, was war das allererste, was ich euch über Nomaden lehrte?«
    »Du hast uns gelehrt, ihnen niemals zu trauen«, erwiderte Luma, »aber du willst doch damit nicht sagen, daß du glaubst, die Geschichte dieser Frau könnte ...«
    »... eine Lüge sein«, unterbrach Stavan sie. Er zuckte die Achseln. »Wer weiß? Vielleicht sagt sie die Wahrheit. Ich hoffe es. Aber ist keine von euch beiden auf den Gedanken gekommen, daß dies alles ein bißchen zu einfach ist? Vierzehn Jahre lang haben wir vergeblich nach einer Spur von deinem Bruder gesucht, und jetzt taucht – wie aus dem Nichts – diese Fremde auf und erzählt uns, daß unsere Suche beendet ist. Ihr stürzt euch auf diese Hoffnung, wie ein Hund auf einen Knochen. Ranala und die Nattern wurden von einer alten Frau in den Tod gelockt, die nach Shara kam und vorgab, Hilfe zu brauchen. Ihr seid nicht die einzigen Spione in den Mutterländern. Es gibt auf beiden Seiten Spione, und ein Krieger, der das vergißt, wird wahrscheinlich nicht lange genug leben, um die Freuden des Alters zu genießen,

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