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Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde

Titel: Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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die« – er klopfte auf sein schlimmes Bein – »durchaus zahlreich sind, selbst wenn man gezwungen ist, wie ein lahmer Hengst zu hinken.«
    Luma schämte sich ihrer naiven Leichtgläubigkeit. Sie warf Keshna einen Blick zu und sah, daß auch sie ziemlich geknickt war. Der Zweifel war wie eine Ratte auf einer festlich gedeckten Tafel, man konnte ihn nicht ignorieren.
    Stavan legte den beiden jungen Frauen die Arme um die Schultern. »Nun kommt schon«, sagte er. »Nehmt es nicht so schwer. Ihr hättet ihr nicht so bereitwillig glauben dürfen, aber ihre Worte haben euer Herz berührt, und nach dem, was ihr mir über sie erzählt habt, ist die Frau sehr überzeugend. Sie kennt Kerus und Changars Namen, kann beschreiben, auf welche Weise Changar verkrüppelt ist; sie hat eine beeindruckende Schilderung des Pilzrituals geliefert, bei dem Changar seinen eigenen Urin trinkt, und sie kann eine grobe Karte von Mahclah zeichnen. Sie behauptet sogar, beobachtet zu haben, wie Changar die beiden Nomadenhäuptlinge hinrichtete, die ihm den falschen Kopf brachten – aber was beweist das, außer daß sie Nomadin ist? Und das wissen wir bereits. Man braucht sie sich ja nur anzusehen.«
    Er wandte sich an Luma. »Seit du und Kandar mit den Neuigkeiten über den Seelenfresser aus Shamban zurückgekehrt seid, sind Changars und Kerus Namen wieder in aller Munde. Ist es da verwunderlich, daß diese Bagnak sie wie Köder vor unserer Nase baumeln läßt? Hat sie auch nur eine einzige Sache erwähnt, die sie nicht aus Gedenkliedern und durch Klatsch erfahren haben könnte? Hast du jemals von diesem ›Dorf der Frauen‹ gehört, wo sie angeblich Zuflucht gefunden hat?«
    »Nein«, gestand Luma.
    »Ich auch nicht. Und die Tätowierungen auf ihrem Gesicht sind ihr vielleicht auch nicht aufgezwungen worden. Es könnten auch Initiationssymbole sein.«
    »Sie lügt!« zischte Keshna. » Jetzt kann ich es deutlich sehen. Man braucht ihr ja nur in die Augen zu sehen, um zu wissen, daß sie ein verräterisches Stück Ziegenscheiße ist, die es nur darauf abgesehen hat, uns in den Tod zu locken! «
    Stavan seufzte. »Nicht so hastig, Keshna. Du fällst immer von einem Extrem ins andere. Ich habe nur gesagt, daß sie
vielleicht
lügt.«
    »Wenn sie die Wahrheit sagt, müssen wir zu Keru gehen und ihn zurückbringen, falls er will«, sagte Luma. »Aber wenn sie lügt, wäre es dumm von uns, zu diesem Ort zu reiten.«
    »Wir wären mehr als nur Dummköpfe«, fügte Keshna hinzu. »Wir wären in kürzester Zeit tot.«
    »Gut«, sagte Stavan. »Nun, da ihr beide begriffen habt, daß es sich hier nicht um die Wahrheit handelt, sondern um ein Rätsel, können wir diese Frau zu Marrah bringen. Marrah versteht sich besser als jeder andere darauf, Rätsel zu lösen. Ich glaube, als sie damals nach Kataka ging, um in die Geheimnisse der Dunklen Mutter eingeweiht zu werden, hat ihre Lehrerin ihr eine spezielle Macht verliehen, um die Knoten der Täuschung zu lösen. Aber ich kann sie nicht danach fragen, und sie sagt es mir natürlich auch nicht, denn solche Gaben sind heilig.«
     
    Es stellte sich jedoch heraus, daß Marrah in diesem Fall ebensowenig in der Lage war, die Wahrheit herauszufinden, wie der Rest von ihnen. Da sie schon des öfteren unwahre Berichte über Kerus angeblichen Aufenthaltsort vernommen hatte, hörte sie sich Bagnaks Geschichte an, ohne Freudentränen oder irgendwelche anderen Tränen zu vergießen. Am Ende, als Bagnak zu sprechen aufhörte, war man der Lösung des Rätsels keinen Schritt näher.
    Noch am selben Nachmittag brachte Marrah Bagnak vor den Ältestenrat und forderte sie auf, ihre Geschichte zum dritten Mal zu erzählen. Der Rat stellte ihr unzählige Fragen und ließ sie ihren Bericht mehrfach wiederholen; doch ganz gleich, wie oft Bagnak ihre Erlebnisse schilderte – niemand konnte erkennen, ob sie log oder die Wahrheit sagte. Ihr Blick war fest und unverwandt, und die Spinnen verbargen ihre Züge so gut, daß niemand ihren Ausdruck entziffern konnte, nicht einmal Marrah.
    Schließlich bedankten sich die Ältesten bei Bagnak, verabschiedeten sie mit Geschenken und schickten sie auf einem guten Pferd in ihr Dorf der Frauen zurück (obwohl einige Ratsmitglieder insgeheim der Ansicht waren, man hätte sie besser als Geisel festhalten sollen). Nachdem Bagnak fort war, tagte der Rat ein letztes Mal unter dem Vorsitz von Marrah und Stavan und gelangte am Ende zu der einzigen Entscheidung, die er vernünftigerweise treffen

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