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Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde

Titel: Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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schwarze Ibisse, Schwäne, Wildgänse, Graugänse, Krickenten und mehr grünköpfige Eiderenten sehen, als sie zählen konnte, dazu noch Dutzende von Schwärmen kleinerer Vögel, die kreischend aufflogen und wie eine wirbelnde Wolke über dem Röhricht kreisten, bevor sie sich wieder niederließen. Luma hatte sich das Delta immer als stillen, einsamen Ort vorgestellt, aber die Vögel veranstalteten ein ohrenbetäubendes Spektakel.
    »Siehst du den Rauch dort drüben?« rief sie Keshna zu. Sie zeigte nach Süden, wo eine schwache, weißlich-graue Rauchschwade über dem Horizont hing. Beim Klang ihrer Stimme stiegen weitere Vogelschwärme in die Luft: Seetaucher keckerten empört, Pelikane flatterten mit kehligen Krächzlauten über das Schilf hinweg, Reiher schrien und kreischten laut genug, um Tote zu erwecken.
    Keshna nickte, dann lachte sie, steckte sich die Finger in die Ohren, zog sie wieder heraus und bedeutete Luma mit einer Geste, ihr Pferd zu wenden. Sie verließen das Delta und ritten in den Wald, bis sie eine Stelle erreichten, wo sie wieder ihr eigenes Wort verstehen konnten.
    »Glaubst du, der Rauch kommt aus Mahclah?« Luma sprach hastig und abgehackt, verschluckte sich fast vor Aufregung. Keru, dachte sie. So nahe. Wenn man uns nicht belogen hat, dann lebt er genau dort, wo dieser Rauch aufsteigt. Vielleicht sehe ich ihn heute endlich wieder. Wie er wohl nach all den Jahren aussieht? Er ist nicht mehr der kleine Junge, als den ich ihn in Erinnerung habe, soviel steht fest. Sie verstärkte ihren Griff um die Zügel.
    Keshna schürzte die Lippen und legte die Stirn in Falten. »Der Rauch muß aus Mahclah kommen. Er steigt genau an der richtigen Stelle auf, nämlich im Nordosten. Es ist Rauch von trockenem Holz, was bedeutet, daß jemand das Brennmaterial gesammelt hat, denn in diesem Delta ist alles so naß wie Spucke. Es kann unmöglich ein einzelnes Lagerfeuer sein, dafür ist der Rauch zu dicht; also muß er von einer Siedlung kommen. Und laut Aussage der Händler gibt es zwischen hier und dem Süßwassersee keine anderen Siedlungen, weil es weit und breit keinen anderen Fleck festen Boden gibt, der groß genug wäre, um Zelte darauf aufzuschlagen oder Häuser darauf zu bauen.« Das war zweifellos wahr. Der Grund, warum die Furt bei Mahclah die am besten geeignete Stelle war, um den Fluß zu überqueren, war der, daß es im Umkreis von mehreren Tagesreisen nirgendwo festen Boden gab.
    Luma zwang sich, ihre Aufregung und Vorfreude in Schach zu halten. Es wäre töricht, sich allzu große Hoffnungen zu machen. Zwar hatte Bagnak zumindest in einem Punkt die Wahrheit gesagt, denn es gab tatsächlich eine Art Lager an der Stelle, wo einst das Dorf Mahclah gestanden hatte. Aber wenn Keru gar nicht dort lebte, würde die Enttäuschung fast zu bitter sein, um sie ertragen zu können. »Ich schätze, es wird Zeit, den Pferden irgendwo Fußfesseln anzulegen«, sagte sie.
    Keshna erklärte sich einverstanden, und sie ritten tiefer in den Wald, bis sie an einen Tümpel kamen, umgeben von üppigem Gras. Der Grund des Tümpels war mit kleinen Kieseln bedeckt, und das Wasser roch frisch, deshalb tranken sie davon und füllten ihre Wasserschläuche. Dann begannen sie, Vorbereitungen für ihren Streifzug ins Flußdelta zu treffen. Sie arbeiteten schnell und ruhig, ohne viele Worte zu wechseln, legten die schwereren Teile ihrer Kleidung ab und schoben sie zusammengefaltet unter ihre Sättel, um zu verhindern, daß sie von irgendwelchen Tieren weggetragen wurden. Sie hatten von Anfang an geplant, die Pferde zurückzulassen, weil ein Reiter hoch zu Pferd so deutlich hervorstechen würde wie ein Boot mit vollen Segeln und für die Pfeile der nomadischen Wachen ein perfektes Ziel abgäbe. Dennoch fühlte Luma einen Anflug schmerzlichen Bedauerns, als sie Shalrus Vorderbeine fesselte. Sie warf einen Blick auf ihren Speer, den Bogen und die Pfeile, die wie Stacheln aus ihrem Köcher herausragten, und empfand abermals Bedauern. Keru mochte in Mahclah sein, aber das hieß noch lange nicht, daß er sie mit offenen Armen empfangen würde. Vielleicht war er betrunken gewesen, als er seiner Konkubine erzählt hatte, daß er seine Mutter und Schwester noch immer liebe; vielleicht hatte er auch niemals etwas dergleichen gesagt. Dort unten bei der Furt lauerte Gefahr, und sie und Keshna hatten vor, sich so gut wie unbewaffnet in den Sumpf zu wagen.
    »Nur Dolche«, sagte Keshna. Speere und Bögen waren nutzlos und hinderlich, wenn man

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