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Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde

Titel: Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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befriedigender Plan: eine Mischung aus Verführung und Rache, die auf besonders angenehme Weise sicherstellte, daß Changar leiden würde.
     
    Als Keshna am nächsten Morgen aufwachte, strich sie sich rasch mit einer Hand über den Kopf, um nach neuem Haarwuchs zu tasten. Es war ein Fehler, mir den Kopf kahlzuscheren, dachte sie.
    Sie hatte nicht viel Haar, aber das, was sie hatte, war weich und kraus wie der Flaum eines neugeborenen Babys. Keshna versuchte sich vorzustellen, wie sie wohl aussah. Im Nomadenlager gab es keine Spiegel, und der Rauchfluß strömte zu schnell dahin, um ein einigermaßen brauchbares Bild zu reflektieren. Sie betrachtete ihre Hände, die rauh und schwielig waren, streckte dann die Beine aus und starrte auf ihre Zehen. Ihre Zehennägel waren mit Flußschlamm verkrustet. Sie roch prüfend an ihrer linken Achselhöhle und grinste. Sie stank nicht direkt, aber da sie sich am vergangenen Abend vor dem Zubettgehen nicht die Mühe gemacht hatte, ein Bad zu nehmen, strömte sie den schwachen Geruch ungewaschener Haut aus, vermischt mit der scharfen Ausdünstung der wildwachsenden Zwiebeln, die sie zum Abendessen verspeist hatte. Der Körpergeruch war kein Problem: Sie hatte die Erfahrung gemacht, daß die meisten Männer den Geruch einer Frau erregend fanden, aber die Zwiebeln würde sie aufgeben müssen.
    Sie warf einen Blick auf Luma, die auf dem Rücken lag und tief und fest schlief. Luma träumte wohl von Kandar, denn ihr Mund war zu einem Lächeln verzogen.
    Grüße Kandar von mir, dachte Keshna. Er hat mir eine Menge beigebracht. Sie gähnte und erhob sich vorsichtig, um zu verhindern, daß Luma aufwachte und ihr eine Reihe unangenehmer Fragen stellte. Es war so früh, daß die letzten Sterne noch durch das Rauchabzugsloch des Zeltes zu sehen waren. Sie hatte, bis der Morgen dämmerte, eine Menge zu tun. Zuerst mußte sie zum Fluß hinuntergehen, etwas sauberen Sand suchen und sich die Überreste ihrer Tätowierungen abschrubben. Zwar hatte sie mittlerweile Gefallen daran gefunden, aber sie hatten eindeutig ausgedient. Dann mußte sie etwas zum Anziehen finden, um nicht ständig in Lederbeinlingen und schmutzverkrusteten Stiefeln herumzulaufen. Sie dachte flüchtig daran, Kerus jüngste Konkubine, Urmnak, zu bitten, ihr eines ihrer wollenen Gewänder zu leihen, verwarf die Idee jedoch schnell wieder. Die Kleidung der Nomadenfrauen ließ sie wie Bündel schlecht verpackter Kohlköpfe aussehen. Sie brauchte etwas, das mehr der Kleidung der Sharanerinnen ähnelte, etwas aus Leinen; aber wo bekam man Leinen her an einem Ort, wo niemand Flachs erkannt hätte, selbst wenn er mit dem Gesicht voran in eine ganze Grube voller Flachsfasern gefallen wäre?
    Um das Zelt zu verlassen, mußte sie zuerst das feine Wollnetz beiseite schieben, das die Konkubinen vor den Eingang gespannt hatten. Keshna griff nach dem Netz und hielt mitten in der Bewegung inne. Das Netz war weich und leicht, und als sie ihre Hand betrachtete, die durch das geflochtene Gitterwerk aus weißer Wolle hindurchschimmerte, begriff sie, daß sie gefunden hatte, was sie suchte. Alles, was sie brauchte, um aus diesem Moskitonetz ein Gewand zu machen, war eine Art Schulterspange und ein Gürtel. Die Anstecknadel hatte sie, und es war obendrein eine sehr hübsche – eine Brosche aus Kupfer in Form einer Schlange, die Ranala ihr an dem Tag ihrer Aufnahme in den Nattern-Verband geschenkt hatte. Einen Gürtel konnte man aus allem möglichen machen – zum Beispiel aus dieser roten Wolle, die die Nomaden in die Mähnen und Schweife ihrer Pferde zu flechten pflegten. Rot war eine gute Farbe, die Farbe der Leidenschaft.
    Also Gürtel, Anstecknadel und Netz, und schon hatte sie ein Kleid. Es würde sich natürlich nicht eignen, um im Lager damit herumzuspazieren, da man mühelos durch den Stoff hindurchsehen konnte, aber genau das war der springende Punkt. Zufrieden zog Keshna das Moskitonetz herunter, hängte es sich über die Schulter, verließ das Zelt und strebte in Richtung Fluß.
    Als sie sich mit Keru zu ihrem täglichen Jagdausflug traf, waren die Tätowierungen auf ihren Armen verschwunden, aber im übrigen sah Keshna nicht anders aus als bislang. Ihre Tunika war noch ebenso zerrissen, ihre Lederbeinlinge ebenso abgeschabt, und an ihren Stiefeln klebten noch immer Schlamm und Gras der gestrigen Jagd. Keru war schon vor ihr am Korral angekommen und bereits dabei, Windtänzer zu satteln. Er sah bemerkenswert wach und munter aus für

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