Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde
deine Cousine umbringst, werde ich es dir sagen. Als erstes nimmst du die beiden mit in die Wälder, an einen Ort, wo dich niemand beobachten kann, und dann ...«
Luma hörte voller Grauen zu, wie Changar fortfuhr, in allen Einzelheiten zu beschreiben, wie sie und Keshna ermordet werden sollten.
Als Luma und Keshna in ihr Zelt zurückkehrten, warf Kläffer nur einen Blick auf sie und lief wieder davon, um sich in eine Ecke zu kauern. Wütend und aufgebracht wanderten sie um die Feuergrube herum.
»Ich schlage vor, wir bringen Changar gleich heute nacht um«, fauchte Keshna.
»Nichts, was ich lieber tun würde«, antwortete Luma. »Aber es ist zu riskant. Keru weiß offensichtlich nicht, was da vor sich geht.«
»Dann werden wir es ihm sagen.«
»Wie kommst du auf die Idee, daß er uns glauben wird? Du hast doch selbst gesehen, wie Changar Dinge aus seinem Bewußtsein löscht. Keru glaubt, er verbringe seine Abende damit, sich um seinen armen alten Onkel zu kümmern. Wenn wir Changar töten, wird Keru glauben, wir hätten ihn ermordet. Ich glaube zwar nicht, daß Keru uns wegen eines solchen Mordes hinrichten würde – du hast ja gehört, wie er sich Changar widersetzt hat, als dieser ihm befahl, uns zu töten –, aber er könnte sich gegen uns wenden und uns aus dem Lager jagen. Wenn wir Changar töten, ist es sehr unwahrscheinlich, daß Keru jemals mit uns nach Shara zurückkehrt, und ich habe einfach zu lange gebraucht, um meinen Bruder zu finden, um das Risiko einzugehen, ihn wieder zu verlieren.«
Keshna zog ihren Dolch. »Dann laß mich es tun. Laß mich diesen Dolch in Changars böses Herz stoßen. Mir ist egal, was Keru von mir hält. Soll er doch meinen Namen verfluchen und mich in die Wälder jagen. Das Vergnügen, Changar zu töten, ist etwas, worauf ich mich schon fast mein ganzes Leben lang gefreut habe – seit ich alt genug war, um zu verstehen, was der elende Bastard unsern Müttern angetan hat!«
»Beruhige dich.«
»Ich bin vollkommen ruhig.«
»Nein, ich meine es ernst, Keshna. Steck diesen Dolch weg und hör mir zu. Wir müssen äußerst vorsichtig vorgehen. Zuerst einmal müssen wir Keru dazu bringen, nichts mehr von dem Gift zu trinken, das Changar ihm einflößt. Und dann müssen wir ihn nach und nach von Changar abbringen.«
»Du willst wie die Jahreszeiten vorgehen, richtig? Wie ein Gletscher?
»Ja.«
»Hat dir schon mal jemand gesagt, daß du ein jämmerliches, feiges kleines Kaninchen bist?«
»Ja, du. Oft. Und fast ebensooft hat uns meine feige, kaninchenmäßige Vorsicht das Leben gerettet. Es ist mir wirklich ernst, Keshna: Steck deinen Dolch weg, bevor du dich schneidest, sonst rufe ich die Wachen und sage ihnen, du wärst irrsinnig geworden! «
Mit einem verdrießlichen Knurren schob Keshna ihren Dolch in seine Lederscheide zurück.
»Ist es so besser, Hasenherz?«
»Viel besser. Jetzt können wir endlich vernünftig reden. Aber zuerst mußt du mir versprechen, daß du Changar keine Gewalt antun wirst.«
»Warum sollte ich so etwas Dummes versprechen?«
»Weil ich deine Cousine bin und deine beste Freundin, und weil Keru mein Bruder ist, und weil ich dich inständig bitte, meine Wünsche in diesem Fall zu respektieren. Versprichst du es mir?«
Keshna haßte es, Befehle erteilt zu bekommen, aber sie konnte nicht widerstehen, wenn man sie inständig um etwas bat. »Ja«, sagte sie mürrisch, »wenn du es so formulierst, dann verspreche ich, daß du niemals hereinkommen und mich dabei ertappen wirst, wie ich Changars mageres Herz an diesen elenden Köter verfüttere, den wir unseren Hund nennen.«
»Soll ich dir meinen jämmerlichen, feigen kleinen Plan erklären, oder bist du zu erhaben, um mir zuzuhören?«
»Himmel noch mal, nun fang schon an«, sagte Keshna ungeduldig. Luma begann über die Möglichkeit zu sprechen, Keru ganz allmählich bewußtzumachen, was Changar ihm antat. Sie sagte, sie hätte sich überlegt, daß sie mit Rimnaks Hilfe den schwarzen Trank gegen mit Anis gewürztes Wasser austauschen könnten, so daß Keru hellwach sein würde, wenn Changar plötzlich aufhörte, den kranken alten Mann zu spielen. Aber sobald Luma anfing, ihren Plan zu erklären, hörte Keshna nicht mehr zu. Sie war zu sehr damit beschäftigt, über all die anderen Dinge nachzudenken, die sie mit Changar tun konnte – all die Dinge, die sie Luma nicht versprochen hatte. Lange bevor Luma geendet hatte, hatte Keshna sich ihren eigenen Plan zurechtgelegt. Es war ein sehr
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