Althea - Das Erwachen
Es begann alles mit einem Sonnenuntergang. Sie wissen schon, einer derjenigen, die man nicht so leicht vergisst. Manchmal zehrt man noch wochenlang von der einen Erinnerung an einen solchen Moment. Unsere Sonne hing als riesiger, roter Feuerball am Horizont, ihr helles und Leben spendendes Licht spiegelte sich in den schneebedeckten Berggipfeln der Alpen wieder. Ich saß alleine auf einer hölzernen Bank inmitten einer grünen Wiese am Waginger See und genoss das wunderbare Naturschauspiel.
Es sah für mich so aus, als würden die Berge brennen, als hätte ein unheimliches und geheimnisvolles Feuer den Felsen und den Schnee entzündet. Es war bitterkalt auf der Bank, aber ich ertrug die Kälte problemlos. Also eigentlich, um ganz ehrlich zu sein, vielleicht auch doch eher ein bißchen weniger. Bestimmt aber doch für eine Weile, belog ich mich selbst. Ich ging meinen düsteren Gedanken nach und sah trotzdem weiter gebannt nach Süden, ich konnte meine Augen einfach nicht von den feuerroten Berggipfeln lösen. Das fantastische Naturschauspiel hatte mein Innerstes fest im Griff. Als dann jedoch die Kälte anfing mir so richtig in die Knochen zu kriechen, konnte ich das schon bald nicht mehr ignorieren, die Zeit, mich selbst zu belügen, war schneller vorbei als mir lieb war. Vielleicht war Spätherbst, oder besser gesagt Frühwinter, doch nicht die allerbeste Jahreszeit, um draußen einen Sonnenuntergang zu bewundern. Jedenfalls nicht für mich. Einmal Stubenhocker ...
Wir befanden uns in den ersten Geburtswehen des neuen Jahrtausends, es war die Zeit vor der großen Umwandlung, die damals die ganze Welt umfasste. Wenn ich es nur irgendwie geahnt hätte, was mich alles in der Zukunft erwartet, hätte ich mir deutlich weniger dunkle Gedanken gemacht und wäre stattdessen einfach laut schreiend davon gelaufen. Nicht, dass es mir irgendetwas genutzt hätte. Ich denke auch heute noch oft und gerne an die alten und friedlichen Zeiten mit warmen Erinnerungen zurück, vielleicht sogar ein wenig wärmer, als es mein Leben damals verdient hatte. Die Vergangenheit hatte jedoch immer etwas an sich, das einen dazu verführt, sie deutlich besser in der Erinnerung zu halten, als sie es eigentlich verdient.
Unsere Welt war aber auch wirklich nicht mehr ganz so schrecklich wie nicht einmal fünfzig Jahre davor. Es gab immer noch viel zu viel Böses und Furchtbares, Unmenschliches und Grauenhaftes. Aber es gab auch Hoffnung. Hoffnung auf eine Zukunft ohne Krieg, auf einen stabilen Frieden, ohne die furchtbaren Waffen des einundzwanzigsten Jahrhunderts in einem weiteren Weltkrieg benutzen zu müssen. Trotzdem, wenn man mich gerade in diesem Augenblick danach gefragt hätte, hätte ich wohl ausdrücklich nach Veränderungen verlangt. Manchen kann man es eben nie recht machen.
Wieder einmal alleine, hatte ich ein weiteres Mal bewiesen, dass ich offenbar zu einer einigermaßen glücklichen und ausgeglichenen Beziehung nicht in der Lage war. Ich vermisste diesmal meine Ex nicht besonders, wie auch die Mädchen davor, eigentlich war ich einfach nur erleichtert und genoss meine Einsamkeit. Merkwürdig, wie sehr sich die Gefühle mit der Zeit verändern. Nach einer gewissen Zeit der Einsamkeit wird das Gefühl immer beklemmender, immer unangenehmer, es verschiebt sich von etwas Positiven zu etwas Negativen.
Aber gerade jetzt erholte ich mich einfach nur von der erdrückenden Enge der Beziehung, die Einsamkeit war etwas Positives und Schönes für mich. Ich liebte das Mädel immer noch sehr, aber die Luft zum Atmen tat mir gerade ziemlich gut, obwohl ich es vermutlich nie wieder sehen würde. Ich war nicht mehr der Jüngste, aber auch nicht wirklich alt. Als einundvierzigjähriger Single macht man sich schon Gedanken, wie das Ganze wohl einmal mit einem enden würde. Ich wühlte mich tief in meinem ganz privaten Selbstmitleid. Eine eigene Familie, das war etwas, dass ich mir schon lange wünschte. Eigentlich schon in einem Alter, als meine Altersgenossen noch darüber nachgedacht haben, wie sie wohl das nächste Autotuning finanzieren konnten.
Aber trotz allem war es mir nie vergönnt gewesen mich in einer Beziehung wiederzufinden, in der ich so etwas verwirklichen wollte oder konnte. Inzwischen war ich mir ziemlich sicher, dass es wohl an mir liegen musste. Mir war zwar nicht ganz klar, was genau der Grund dafür war, aber es musste einfach an mir liegen. Der Gedanke, dass es an allen anderen lag, war einfach zu beängstigend und zu
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