Althea - Das Erwachen
Erinnerungen der Menschheit emporsteigt.
Drachenfurcht.
Ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich mich wimmernd zusammen kauern und aufgeben oder ob ich lieber so schnell ich konnte davonlaufen sollte. Das Schizophrene an der Situation war, dass ein anderer, völlig entgegengesetzter Teil von mir völlig unbeeindruckt und gelassen dastand und sich ganz fühlte. Dieser Teil blickte gebannt und bewundernd auf den Drachen und fühlte eine befremdliche Anziehung.
Dann spuckte der Drache Feuer, eine Lanze aus glühender Flamme, die sich ein paar Meter über meinem Kopf bis weit hinter mich erstreckte. Wo der Feuerstrahl auf den Regen traf, verdampfte zischend das Wasser. Falls er mich versucht hätte zu treffen, hätte mir auch die schnellste Flucht nichts mehr genützt. Das Schönste an ihm waren jedoch seine Augen.
Als er mich damit anblickte, war mir, als ob ich in einen riesigen Spiegel schaute, in den ich hineinfiel, von dem ich magnetisch angezogen wurde. Seine Augen sahen ganz genau so aus wie meine. Goldene Katzenaugen mit einem Schlitz als Pupille in der Mitte, leicht geweitet, weil der Tag so wolkenverhangen war. Der Drache fiel zurück auf seine Vorderpfoten und sah mich an, seine Schnauze nicht mal zwei Meter von meinem Gesicht entfernt.
‚Hallo, kleine Schwester, ich grüße dich. Ich bin sehr erfreut, dass wir uns endlich treffen.‘
Seine Stimme erklang direkt in meinem Kopf, es war keine Stimme, die von Schallwellen getragen wurde. Er sprach. Der Drache sprach. Zu mir. Und die Stimme kam mir sofort sehr bekannt vor, es war die gleiche, die mich, kurz nachdem wir die Festung verlassen hatten, vor den Ork gewarnt hatte. Ohne die Warnung wäre ich sicherlich an dem Tag tot gewesen.
‚Ah, du erinnerst dich an mich, das ist schön. Kannst du auch erkennen, wer ich bin?‘
Ich versuchte meine Gedanken ebenfalls auf ihn zu projizieren.
‚Ich habe keine Ahnung, wer du bist, aber du bist nicht mein Feind, sonst wäre ich schon lange tot. Bist du ein Freund?‘
Er zuckte sichtbar zusammen.
‚Nicht so laut, ich kann dich recht gut hören. Deine starke Projektion hebe dir lieber für die Stummen auf.‘
Ein lautloses und sehr unmännliches Kichern erklang in meinem Kopf. Ich fühlte plötzlich, dass der Drache kein Männchen war.
‚Gut erkannt, kleine Schwester. Mein Name ist Elida. Ich bin mir übrigens gar nicht so sicher, ob ich dich wirklich so einfach töten könnte.‘
Sie schüttelte leicht ihren riesigen Kopf.
‚Du bist sicherlich eines der beeindruckendsten Talente in unserer Familie, soviel kann ich schon mal sagen, auch ohne dich wirklich gut zu kennen. Natürlich hast du noch keine Ahnung, wer du bist oder wozu du in der Lage bist, aber genau deswegen bin ich schließlich hier. Ich werde versuchen, dich unseren Weg zu lehren, denn du gehörst zu uns.‘
Ich konnte es nicht glauben, ich hatte mir so sehr ein eigenes Volk gewünscht, aber ein Drache zu sein, das klang irgendwie … abartig.
Und wieso kam ich in elfischer Gestalt daher und nicht in der gleichen wie sie? Ich brachte jedoch kein Wort hinaus, ich starrte sie wie gelähmt an. Sie redete unbekümmert weiter und ignorierte meine wachsende Verwirrung.
‚Du weißt noch nicht viel über dein Volk, du musst mir also für den Anfang einfach mal vertrauen, wenn ich dir etwas über dich erzähle. Nur soviel schon mal, deine Gestalt kannst du in zwei Formen wählen, entweder die Drachengestalt, was natürlich deutlich besser und sicherer ist, oder auch ...‘
Sie veränderte sich, sie wurde kleiner und bekam menschliche Züge. Elida hatte sich in einen Menschen verwandelt, eine ziemlich hübsche Frau, vielleicht so um die Mitte zwanzig. Keine herausragende Schönheit, eher unauffällig, ihr fehlten auch jegliche Anzeichen eines Drachens wie die Reptilienaugen, die ich hatte. Sie war völlig nackt und kicherte wieder, vermutlich wegen meines verblüfften Gesichtsausdrucks. Sie hatte ein Mal auf dem Bauch, eine sehr realistische Abbildung einer weißen Drachin, die genauso wie sie in Drachengestalt aussah.
‚Eine zweibeinige. Nicht jeder von uns hat einen so auffälligen zweibeinigen Konterpart wie du. Eigentlich niemand von uns, aber wie ich schon sagte, du bist ja auch etwas ganz Besonderes. Bevor wir jedoch irgendetwas anderes tun - dir fehlt noch etwas sehr, sehr Wichtiges.‘
Sie kam zu mir und schob mein nasses Shirt nach oben und presste ihre Hand gegen meinen Bauch. Ich blieb völlig regungslos stehen. Ein kurzer, stechender Schmerz, dann
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