Althea - Das Erwachen
nahm sie ihre Hand wieder weg.
‚Jeder Drache muss sein Bildnis an sich tragen, stolz um seine Rasse und als Warnung für alle anderen.‘
Es klang fast wie eine Litanei, ein alter Spruch, den ich, wie mir ein Gefühl tief in meine Seele sagte, eigentlich kennen sollte und doch nicht kannte.
‚Eigentlich brauchst du es gar nicht, deine Augen sind Hinweis genug, aber ich finde, es steht dir recht gut.‘
Ich schaute auf meinen Bauch herunter und sah dort auf einmal einen Drachen. Einen weißen, der fast genau wie Elida in ihrer Drachengestalt aussah, nur viel kleiner und jünger, sie kringelte sich schlafend um meinen Nabel.
‚Ein Drachenmal ist magisch und passt sich mit der Zeit deinem wahren Aussehen an. Normalerweise wird es dir von deiner Mutter gegeben, wenn du ihren Horst verlässt. Sehr bald schon, vielleicht in ein paar Jahren, kannst auch du die Drachengestalt annehmen. Bis dahin bekommst du einen Tutor an deine Seite. Oder eine Tutorin, mich, falls du mich nicht ablehnst. Denn dann müsste der Rat einen anderen Drachen finden, der dein Tutor sein kann. Du sagst ja gar nichts, Kindchen, ist alles in Ordnung?‘
Ich musste mich erst mal setzen, ich war überwältigt von der Fülle an neuen Informationen. Ich war mitten auf einer Straße im Elfenland und sprach mit einer nackten Frau, die zwei Minuten vorher noch ein Drache gewesen war.
‚Naja, das Ganze klingt doch irgendwie recht unglaubwürdig, Hallo, schau mich an, sehe ich etwa wie ein Drache aus? Ja, du sagst, ich kann mich irgendwann mal verwandeln, aber trotzdem, das klingt doch … ziemlich verrückt.‘
‚Ich kann mir vorstellen, dass es nicht einfach für dich ist, die Wahrheit zu akzeptieren, Althea. Obwohl, so langsam solltest du doch ein wenig Übung darin haben.‘ Sie berührte sachte meine spitzen Elfenohren.
Wir waren beide triefend nass und der Regen plätscherte nach wie vor um uns herum. Das Gewitter zog weiter und es wurde langsam wieder etwas heller. Ich hatte mit einer tiefen Sehnsucht im Herzen nach meiner neuen Rasse und meiner neuen Heimat gesucht, und nun stand sie plötzlich einfach direkt vor mir.
„Wie geht es jetzt weiter? Ich habe Freunde, die ich nicht im Stich lassen darf und auch nicht will. Ich habe ihnen Hilfe versprochen, und das muss ich auch einhalten. Kann, was auch immer ich jetzt als Drache tun müsste, so lange warten?“
Elida lächelte mich an.
„Ich bin zwar deine Tutorin, deine Lehrerin, aber deinen Weg bestimmst alleine du. Bei Drachen geht es alles ein bisschen anders zu als bei allen anderen, das wirst du schon noch lernen. Ich werde vermutlich meistens woanders sein, nicht direkt bei dir, aber in deiner Nähe, und ich werde dir immer mit meiner Hilfe und meinem Rat zur Verfügung stehen. Man lenkt keine Drachen, man erzieht sie nicht, Drachen sind einfach. Du bist einfach. Genau so, wie du bist. Merke dir das. Deshalb musste ich den richtigen Augenblick wählen mich dir vorzustellen, und mir kam das jetzt richtig vor. Also ist es auch der richtige Zeitpunkt.“
‚Und hier kommt meine erste Lektion. Drachen unterhalten sich untereinander selten in der Lautsprache, Gedanken sind ehrlicher, auch wenn man sie theoretisch genauso perfekt fälschen kann, aber es gilt trotzdem als höflicher unter Drachen.‘
Ich versuchte es ihr erneut nachzuahmen, und projizierte diesmal mit weniger Kraft als beim ersten Mal meine Worte auf sie, anstatt sie auszusprechen.
‚Ich habe oft gelesen, Drachen sind Einzelgänger ohne jeden Zusammenhalt oder einer Gemeinschaft. Wie kommt es, dass ich trotzdem eine Tutorin habe?‘
Sie runzelte die Stirn.
‚Das ist eine lange Geschichte, Kleines, ich werde dir aber trotzdem ein paar Hinweise geben. Wir sind alle in der Tat überzeugte und unverbesserliche Einzelgänger, genau wie du auch.‘
Offensichtlich wollte sich mich da an etwas erinnern, ich gehörte jetzt zu ihnen.
‚Ich fühle mich jetzt schon in deiner Gegenwart allmählich unwohl, Gesellschaft liegt uns einfach nicht. Wir sind eine sehr lose Gruppe von Einzelgängern. Aber wir haben irgendwann trotzdem den Drachenrat gegründet. Der Rat ist dafür da Konflikte zwischen Drachen in gewissen Grenzen zu halten. Wir haben ein paar sehr alte sorglose Exemplare, und auch ein paar, die sicherlich nicht die freundlichsten sind. Drachen gibt es seit Anbeginn der Zeit, und es wird uns auch ewig geben. Falls wir uns nicht gegenseitig auslöschen. Der Rat hat den Zweck, genau das zu verhindern, und wir geben den Jüngsten von uns
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