Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)
keinen Job mehr haben wird, bin ich davon ausgegangen, dass er auch geht.“
Sie entschuldigte sich einen Augenblick und ging auf die Toilette. Dort starrte Anne in den Spiegel. Sie konnte nicht glauben, was sie soeben gehört hatte. Miraj sollte die Schutzzone verlassen? Und wo wollte er dann hin? Was war mit Silvia? Sie hatte das Gefühl, dass die Welt zerbrach, die doch eben erst vor ihrem inneren Auge entstanden war.
Als sie an den Tisch zurückkehrte, sah Jamiro sie besorgt an. „Du bist leichenblass. Geht es dir nicht gut?“ Anne sah auf. „Was du mir eben erzählt hast, finde ich ganz schrecklich.“ Dann brach sie in Tränen aus. Jamiro kam zu ihr rüber und hielt sie stumm im Arm. „Du liebst ihn, was?“ flüsterte er. Anne sah zu ihm hoch. Sie nickte nur stumm. Jamiro sah ein wenig verletzt aus, hatte sich aber bald wieder in der Gewalt. „Wir sollten gehen“, sagte er, stand auf und half Anne in ihren Mantel. Er begleitete sie zu Blizzard und sagte zum Abschied: „Wir sollten uns wieder häufiger treffen. Ich denke, du kannst im Augenblick einen Freund wirklich gut gebrauchen.“
Anne wusste, dass das ein großer Schritt von ihm war. Sie bedankte sich herzlich und stieg dann auf ihr Pferd. In Windeseile ritt sie zurück zu Silvias Haus. Es war ihr egal, dass es eiskalt war und ihre Hände bald gefährlich rot aussahen. Sie spürte nichts, nicht einmal die Schneeflocken, die ihr ins Gesicht peitschten. Als sie das Haus erreicht hatte, sprang sie vom Pferd und hämmerte wild an die Tür.
Miraj öffnete ihr. „Anne, was veranstaltest du denn für einen Lärm?“ Anne sah ihm ins Gesicht. „Ist das wahr, dass du die Schutzzone verlässt?“ Miraj sah sie stumm an. Dann nickte er. „Wann?“ fragte Anne tonlos. Er sah sie traurig an. „Nach dem Gründungsfest brechen Silvia und ich auf.“
Kapitel 43: Die Verlassene
Anne sah ihm in die Augen. Ihr Herz klopfte so schnell, dass sie glaubte, es müsse zerspringen. „Aber“, stotterte sie, „warum hast du mir denn bisher kein Wort davon gesagt?“ Sie ließ sich auf einen Stuhl fallen. In letzter Zeit gab es eindeutig zu viele schlechte Nachrichten. „Wir wollten dich nicht beunruhigen, schon gar nicht, bevor du deine Prüfung bestanden hast.“ Anne blinzelte eine Träne weg. Nein, sie wollte nicht schon wieder weinen. Sicherlich gab es in ihr gar nicht mehr genügend Tränenflüssigkeit. „Aber…“, sagte sie nur.
Miraj legte ihr die Hand auf die Wange, als wolle er die ungeweinten Tränen wegwischen. „Ich weiß, was du sagen willst. Mir fällt es auch schwer, all das hier aufzugeben. Und… dich.“ Er sah sie ernst an. „Aber seien wir ehrlich: es ist besser so. Du bist zu jung für eine Beziehung, wie ich sie brauche. Und ich… bin noch nicht ganz über Gwynda hinweg. Außerdem – was sollte ich hier? Weißt du, dass ich meine Stelle an der Universität verloren habe? Und das nur, weil ich dem roten Volk angehöre. Ich sehe es als meine Aufgabe an, den Grünmagiern zu zeigen, dass sie einen Fehler machen, dass sie sich irren und nicht das gesamte rote Volk so ist wie Aracio und seine Männer. Und das kann ich nicht, wenn ich mich wie ein Feigling im vierten Ring verstecke.“
Anne fühlte sich, als hätte ihr jemand auf den Schädel gehauen. Sie spürte einen schrecklichen Schmerz, doch gleichzeitig war sie wie betäubt und nahm ihn nur aus der Ferne wahr. „Soll das heißen, du willst gegen die Schwarzmagier kämpfen?“ fragte Anne ängstlich. Miraj nickte. „Aber ich werde nicht allein sein. Beinahe das gesamte rote Volk wird mit mir kommen. Wir werden sie aufspüren und versuchen aufzuhalten, sodass sie sich nicht einmal in die Nähe von Viriditas wagen.“ Anne nickte beherrscht. „Und was wird aus Silvia?“ fragte sie tonlos. Miraj verzog das Gesicht zu einem künstlichen Lächeln. „Nun, ehrlich gesagt habe ich versucht, sie zu überreden, dass sie hier bleibt. Da sie nicht kämpfen kann, ist es für sie gefährlicher da draußen. Aber stur wie sie ist, wollte sie nichts davon hören. Sie sagte, sie wollte noch weniger als ich unter Zauberern leben, die uns nicht dulden.“
Anne nickte wieder. Ja, das klang nach Silvia. So war es also beschlossen und sie konnte nichts tun. „Also gut“, sagte Anne und stand auf. „Dann bleibe ich bis zum Gründungsfest noch bei euch und lebe dann beim Orden.“ Miraj hielt sie am Arm zurück. „Glaub mir, es ist besser so. Aber das heißt nicht, dass mir das leichtfällt.“
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