Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)
Ordnung?“, fragte der Hausmeister, während sie hinter ihm die Treppen wieder hinauflief. „Ja“, sagte Anne knapp, während ihr im Schutz der Dunkelheit Tränen über die Wangen rannen. Als sie wieder oben war, wo der Schnee inzwischen eine dünne Decke bildete, waren ihre Tränen jedoch versiegt. Der Hass ihres Bruders war erschütternd. Sie schwor sich, ihn niemals wieder zu besuchen. Von jetzt an war Henri in ihren Augen genauso tot wie ihre Eltern.
Sie stieg auf Blizzard und wollte eben losreiten zu ihrer neuen Familie, Silvia und Miraj. Doch plötzlich stand Jana neben ihr im Hof. Sie trug ein Tuch um den Kopf, das sie wohl vor dem Schnee schützen sollte, und ihr Pferd wieherte nervös. „Anne, gut, dass ich dich hier noch erwische. Wie war die Prüfung?“ Anne berichtete knapp. „Herzlichen Glückwunsch“, sagte Jana ehrlich und berichtete Anne dann, warum sie hier war: „Die weise Samira wünscht dich dringend zu sprechen.“ Anne nickte. „Ist gut.“
Es war bereits dunkel, doch durch den Schnee wirkte alles viel heller. Sie ritten den üblichen Weg zum Turm und Anne war überrascht, dass das Verstärkerfeld diesmal keine Wirkung zeigte. Jana erklärte: „Da du nun eine zukünftige Ordensschwester bist, wirst du dieser Prüfung nicht mehr unterzogen. Die hohe Schwester ist auch nicht im Haus, daher bringe ich dich direkt zu Samira.“
Anne fand es ganz ungewohnt, den Ohrensessel links liegen zu lassen und gleich die Wendeltreppe hinaufzusteigen. Unterwegs machte Jana an einer Tür halt. „Hier befindet sich mein Zimmer. Wenn du fertig bist, klopf einfach laut. Ich zeige dir dann, wo du schlafen kannst. Wie ich gehört habe, ist niemand mehr in Mirajs Haus und bis in den roten Ring schaffst du es bei dem Schnee heute nicht mehr.“ Anne bedankte sich und Jana lächelte sie freundlich an.
Sie stieg einmal mehr die Treppe hinauf und verharrte einen Moment vor der Tür im obersten Stock. Als sie eintrat, rief Samira sie gleich in den hinteren Teil des Raumes. „Anne, Tochter der Isadora. Es ist schön, dich wiederzusehen, aber wir können heute nur kurz miteinander sprechen, deshalb komme ich gleich zur Sache. Anne war überrascht und trat zu ihr: „Werdet Ihr Euch denn nicht in Trance versetzen?“ Samira schüttelte den Kopf. „Ich habe nur in deiner Zukunft etwas gesehen, das mich beunruhigt. Wir Grünmagier halten bekanntlich nicht viel von Gefühlen. Aber das ist nur zu unserem Schutz und für dich und deinen besonderen Zauber spielen die Gefühle eine entscheidende Rolle. Du darfst nicht zulassen, dass du aufgrund von Enttäuschungen Fehlentscheidungen triffst.“ Anne blickte sie an und hatte keine Ahnung, wovon sie sprach. „Ich bin mir ganz sicher, dass das nicht geschehen wird.“ Samira lächelte zufrieden. „Gut. Dann kannst du nun gehen. Aber denke an meine Worte. Wenn du fehlgehst, wirst du scheitern. Und das könnte sehr schwere Auswirkungen haben.“
Anne grübelte auf der Treppe über Samiras Worte. Dabei fiel ihr die erste Prophezeiung wieder ein. Samira hatte geweissagt, dass sie viele Menschen verlören. Ob das etwas mit dem Angriff der Schwarzmagier zu tun hatte? Anne konnte jetzt nicht darüber nachdenken. Sie klopfte an die Tür, hinter der Jana vorhin verschwunden war.
Kapitel 42: Die zukünftige Studentin
Als Anne nach ihrer ersten Nacht im Magnolienturm nach Hause kam und verkündete, dass sie die Prüfung bestanden hatte, waren Silvia und Miraj hocherfreut. Sie stellten sich gemeinsam in die Küche und bereiteten ein Festmahl zu. Dann saßen sie bis spät in die Nacht zusammen, aßen, tranken und lachten. Es war fast ein wenig wie früher zu Hause und Anne kam wirklich ins Grübeln, ob sie beim Orden einziehen sollte, auch wenn ihr beim Übernachten dort ihr geräumiges Zimmer gut gefallen hatte. Sie hatte fast wieder das Gefühl, eine Familie zu haben.
Die nächsten Tage standen ganz im Zeichen von Mirajs Umzug. Die Abschlussprüfungen waren nun beendet und er ritt mehrmals am Tag hin und her, um klein gezauberte Möbelstücke, Kleidung und allerlei Zaubergegenstände hinüberzuschaffen. Anne mochte unter diesen Umständen wirklich noch nicht an ihren eigenen Umzug denken – wenngleich es natürlich viel weniger zu transportieren gab, da sie kaum etwas besaß.
Um diesen so lange wie möglich hinauszuschieben, brach sie bald in die Bibliothek auf, um schon einmal etwas von der Bücherliste abzuarbeiten, die der Hohe Rat für sie zusammengestellt hatte.
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