Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)
– so sehr genoss sie den Respekt der anderen. Anne fragte sich, ob aus ihr wirklich eines Tages eine ähnlich bedeutende Zauberin werden würde.
Auf jeden Fall würde sie es versuchen müssen. Nachdem sie Henris Worte gehört hatte, war Anne nur noch mehr davon überzeugt, dass es ihre Bestimmung war, den Tod ihrer Eltern und ihrer Tante zu rächen. Denn – wer sollte es tun, wenn nicht sie?
Aber Anne dachte auch an das rote Volk. So viel Sympathie hatte sie anfangs für diese Menschen gefühlt, bis die Sache mit Aracio geschehen war. Und auch jetzt noch hatte sie Mitleid mit den zahllosen Familien, die von den Grünmagiern im Stich gelassen die Schutzzone verlassen hatten. Wo sie jetzt wohl waren? Miraj hatte gesagt, sie wollten zunächst zu Aracio und seinen Männern gehen, um zu versuchen, das rote Volk zu vereinen. Auf diese Weise hofften sie, mehr über die Pläne der Schwarzmagier zu erfahren. Und wenn sie damit Erfolg hatten, wollten sie versuchen, diese Pläne zu vereiteln. Anne konnte nur hoffen, dass alles gut ging und Miraj und den anderen kein Leid geschah.
In den nächsten Tagen musste sie einmal Gisalen besuchen gehen. Sie war das Einzige, was ihr von ihrem alten Leben geblieben war. Ihrem alten Leben? Anne schüttelte den Kopf über sich selbst. Ihr altes Leben war unwiederbringlich verloren, es war zusammen mit ihrem Vater und dem Hof gestorben. Und das Leben, das sie danach geführt hatte, hatte sich auch schon wieder in Wohlgefallen aufgelöst. Anne fragte sich, wie oft sie noch miterleben würde, wie sich alles veränderte und ihre Welt zusammenbrach. Sie war so jung – doch in diesem Moment fühlte sie sich wie eine alte Frau.
Mit Erschrecken stellte Anne nun fest, dass es bereits dunkel wurde. Wie lange hatte sie hier am Fenster gestanden? Es hatte längst aufgehört zu schneien. Sie griff nach ihren Schuhen, die unter dem Bett standen, und zog sie rasch an. Dann nahm sie noch eine Tüte mit Gebäck von ihrem Nachttisch – sie hatte es gestern beim Nachtisch der Oberin abgeschwatzt – und lief eilig aus der Tür. Sie wollte Jamiro nicht warten lassen. Auf in ihr neues Leben!
Epilog
„Und die nächste ist Anne, Tochter der Isadora.“ Die Menge klatschte Beifall, als Anne in ihrem Talar das Podium auf dem Universitätsplatz betrat, auf Raindor zuging und ihr Abschlusszeugnis in Empfang nahm. Stolz stellte sie sich damit an den Rand des Podiums und knickste, bevor sie das Podium wieder verließ. Die nächste Absolventin wurde auf die Bühne gerufen und Anne wollte wieder neben ihrem Freund Platz nehmen, als sie jemand am Arm festhielt. „Hallo Anne. Mich hast du hier nicht erwartet, nicht wahr?“ Das kalte Lächeln ihres Gegenübers kam ihr bekannt vor.
„Aracio!“ riefen nun ein paar Grünmagier, die auch auf Annes geplatzter Hochzeit mit Miraj zugegen gewesen waren. Anne sah sich um und stellte fest, dass seine Männer nun auch die Gäste ihrer Abschlussfeier in ihrer Gewalt hatten. Anne spürte eine Wut in sich aufsteigen, die so unbändig war, wie sie es bisher nur am magischen vierten Steinkreis erlebt hatte, während sie durch das Verstärkerfeld ging.
Wut spiegelte sich in ihren Augen, als sie nun Aracio anschrie: „Was hast du hier zu suchen? Hast du nicht schon genug kaputt gemacht?“ Aber Aracio lächelte nur wieder sein kaltes Lächeln. Da wurde es ihr zu viel. Annes Stimme hob sich zu einem gewaltigen lauten Grollen an, als sie schrie: „IGNIS!“ Es klang wie ein Fluch. Im nächsten Moment zuckte ein gewaltiger, goldener Blitz. Die Angehörigen der Absolventen und die Hochschulbediensteten wurden leichenblass, als auf Annes Fluch hin Feuerregen vom Himmel fiel. Allerdings traf er nur Aracios Männer.
„Ich habe dich gewarnt“, rief Anne mit tosender Stimme, während Aracio wie eine zitternde Spinne hüpfte, um den Feuerfunken zu entgehen. „Scher dich fort und bestell deinen Freunden, dass wir nicht kapitulieren werden, solange wir noch Menschen und Magier haben, die für uns kämpfen.“
Anne fuhr aus dem Schlaf hoch. Verwirrt schüttelte sie den Kopf. „Immer wieder dieser seltsame Traum! Was soll denn das?“ sagte sie laut zu sich selbst. Es war ganz wie damals, mit dem Traum von ihrer Hochzeit. Sie warf einen Blick aus dem Fenster – nein, es war noch nicht an der Zeit aufzustehen. Über Viriditas lag noch der Schleier der Nacht.
Sie wollte sich schon wieder hinlegen, da sah sie, wie sich Jamiro im Schlaf regte. Er drehte sich zu ihr um und
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