Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Altstadtrebellen

Altstadtrebellen

Titel: Altstadtrebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Giebel
Vom Netzwerk:
ab, fragt, ob es geschmeckt hat, und er sagt auch noch Ja. Solche Leute fahren in den Urlaub.«
     
    Da bringt sich Chosy ins Gespräch: »Ehheeh, und so was regt dich auf, Simmermann, und so etwas regt dich auf?«
     
    Chosy hat nach einer zweijährigen, komplett erfolglosen Paartherapie seine Persönlichkeit verloren. Das kompensiert er, indem er so oft wie möglich ins Kino geht. Er spielt so gut er kann Robert De Niro mit der Synchronstimme von Christian Brückner! Dabei senkt er den Kopf, zieht seine Augenbrauen nach oben, gegenläufig die Mundwinkel nach unten und schiebt das Kinn nach vorne.
     
    Seiner Stimme gibt er im Rahmen seiner Möglichkeiten Christian Brückners legendären heiseren Unterton. Damit versucht er, nehme ich an, seinen einfachen Sätzen und damit auch seiner Person etwas Bedeutsames zu geben.
     
    »Ehheeh, ich würde mich da nicht aufregen. Weißt du, was aufregend ist? Du musst mal mit drei Arabern in einem Beduinenzelt leben, sechs Wochen lang bei fünfzig Grad im Schatten, bei Hirse und Wasser, das ist anstrengend!«
     
    »Geh Chosy, jetzt hör doch auf, so was kann man doch nicht vergleichen. Das ist für mich vielleicht anstrengend, aber für die Araber nicht, verstehst, weil die sind ja so aufgewachsen, aber setz mal einen Araber sechs Wochen zu uns an den Tisch, das ist für den anstrengend!«
     
    Da meldet sich Walter mit seiner knödelnden Stimme: »Ja mei, man kann sich’s nicht raussuchen, gell!« Walter ist der größte Freund von Binsenweisheiten in der Runde. Walter hat einen Bauch, betreibt keinen Sport, hat keinen Computer, nicht einmal einen Anrufbeantworter. Da kann man sich nur wundern, wie der durchs Leben kommt.
     
    Walter knödelt weiter: »Aber ich denk mir halt, wer weiß, für was es gut ist! Aber weißt, Simmermann, mit deinem Rücken, da müssen wir fei wirklich einmal etwas machen. Ich sage es dir immer, die Gesundheit ist das Wichtigste, gell, du hörst bloß nicht drauf. Weißt du, wo du dir dein Kreuz kaputt gemacht hast? Jetzt pass auf, das kann ich dir genau sagen, das war damals bei deinem Umzug vom Erdgeschoss in den vierten Stock rauf! Das war die sinnloseste Aktion, die du je unternommen hast, Erdgeschoss in den vierten Stock rauf. Ich versteh das nicht, da unten war’s doch schön?«
     
    »Schön? Du weißt genau, ich wollte nicht mehr beim Fenster sitzen und die blöden Leute vorbeilaufen sehen!«
     
    »Ja, das kann natürlich schon sein, dass einmal einer vorbeimuss, dass einmal einer wo hinmuss oder dass einmal einer wegmuss, die werden wegen dir nicht auf die andere Straßenseite laufen, nicht wahr, da musst du doch nicht gleich in den vierten Stock raufziehen, der erste Stock hätte doch auch gereicht!«
     
    »In den ersten Stock, spinnst du, schau sie dir doch an, die jungen Lackeln, wie hochgewachsen die sind, da kannst du doch drauf warten, dass der erste Schädel vorbeirollt!«
     
    »Ein bisschen übertreiben tust du schon, Simmermann, und dann hast du deinen Umzug auch noch alleine gemacht, das haben wir alle nicht verstanden, warum denn alleine, wir hätten dir doch alle geholfen. Oder, Chosy, wir hätten ihm doch geholfen?«
     
    Chosy geht in seine Robert-De-Niro-Stellung: »Eheeehh, das ist richtig, wir hätten dir geholfen!«
     
    »Das glaub ich schon, ihr zwei hättet mir geholfen, und wenn dann einer von euch umzieht, dann muss ich euch auch helfen, ich kenn euch doch!«
     
    »Ja, das kann natürlich schon sein…«, ergänzt Walter einsichtig, nimmt einen tiefen Schluck, den braucht er zum Nachdenken, weil er weiß, er muss noch etwas nachlegen. Er nutzt die augenblickliche Stille und meint: »Oder dein Bruder, du sagst doch immer, du hättest so einen tollen Bruder, der hätte dir doch helfen können!«
     
    »Mein Bruder, das hab ich dir schon mal gesagt, ist ein hohes Viech bei Siemens, der verkauft Chips und Pipelines nach Afrika, den rufe ich nicht an und sage, flieg mal schnell her und trage einen Schrank mit mir rauf!«
     
    »Du hast mir gesagt, er hat dir einen Brief geschrieben?«
     
    »Ich hab zu dir gesagt, ich habe ihn angerufen und ihm gesagt, er soll einmal hierher in die Wirtschaft kommen, hierher zur Lucie, damit er sieht, wie ich lebe, da brauche ich seinen Brief nicht aufzumachen!«
     

Der Blumenstock der Nachbarin
     
    Wir merken echte innere Aufregung bei Simmermann, ein Hauch von Verbitterung über das eigene Leben. Er leert das Glas: »Ich mache überhaupt keinen Brief mehr auf, das kriegt alles

Weitere Kostenlose Bücher