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Altstadtrebellen

Altstadtrebellen

Titel: Altstadtrebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Giebel
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Bronske Raucher war. Wie Bronske wirklich hieß, wusste niemand von uns. Der Name setzte sich zusammen aus dem Nachnamen von Charles Bronson, also »Brons«, und hinten »ke«, weil unserer Vermutung nach ihn irgendwann der Kehlkopfkrebs dahinraffen würde: Bronske. Bronske sprach nur sehr wenige, dafür gewichtige Worte, was ihn für uns sehr sympathisch machte. Ganz unvermittelt kamen von ihm Sätze wie: »Manchmal muss man sich auch zusammenreißen, wenn nix los is.« Gut, der Satz ist jetzt etwas aus dem Zusammenhang gerissen. An einen Satz erinnere ich mich auch noch sehr gut: »Lucie, schau mal, ich glaube, da liegt was unter dem Tisch.« Und wenn Bronske das sagte, dann lag da etwas unter dem Tisch.
     
    Bronske war stark kurzsichtig und hatte einen unglaublichen Respekt vor Kakerlaken. Er hat mal im Fernsehen einen Bericht über Kakerlaken gesehen, in dem dargelegt wurde, dass Kakerlaken die widerstandsfähigsten Lebewesen überhaupt seien und sie bei den Atomversuchen der Amis auf dem Bikiniatoll als einzige Tiere überlebt hätten. Man munkelt sogar, die Strahlung war ihnen egal. Diese Gleichgültigkeit, gepaart mit dieser Widerstandsfähigkeit, das hat Bronske fasziniert. Und Kakerlaken haben ja noch eine Besonderheit: Die haben am Hintern zwei kleine Fühler, mit denen sie jeden noch so kleinen Windhauch bemerken. Diese Information geben die Kakerlaken aber nicht erst ans Gehirn weiter, sondern direkt an die Füße. Die rennen also los und wissen noch gar nicht, dass sie unterwegs sind.
     
    In diesem Augenblick betritt Simmermann das Lokal. »Oooh, glaubtsas, der blöde Doktor, ich geh nicht mehr hin zu ihm. Das hat doch keinen Sinn, das wird ja alles immer noch schlimmer, mit Rückenschmerzen gehst zum Doktor, hockst zwei Stunden im Wartezimmer, auf diesen Plastikstühlen von Ikea, danach tut dir alles noch mehr weh. Da mag ich nicht mehr hingehen!«
     
    Das sagt er immer. Seit Jahren. Überhaupt braucht er seinen großen Auftritt.
     
    »Der mit seine Sprüch, mit seine Weisheiten, der moant a, er hat’s gfressen. Was hat er heit wieder gsagt, i hab mi a so aufgregt, was hat er wieder gsagt«, einen Moment steht er überlegend da, wühlt einen Zettelfetzen aus der Tasche, »ich hab mir’s aufgeschrieben. Ich kann mir nichts mehr merken, gar nichts«, er hält den Zettel weiter weg, »›Kaufen Sie sich endlich eine Lese brille!‹ Da kann er lang warten. Ich bin wegen dem Rücken gekommen«, er studiert den Zettel weiter, dreht ihn um, »ah, da haben wir’s: Das mit meinem Rücken wäre nicht nur körperlich, sondern auch psychosomatisch, ich soll mich nicht immer so aufregen, nicht auf alles und jeden schimpfen, und vor allem meine Vorurteile abbauen! Der Depp, der, den hab ich noch nie mögen. Das hat er schon mal gesagt, vor einem Monat. Wo hab ich’s denn?« Er knödelt einen zweiten Papierfetzen aus der Tasche. »Genau das war’s. Ich soll mich auch mal entspannen und in den Urlaub fahren, solche Ratschläge gibt der mir. Entspannen und in den Urlaub fahren, wie soll denn das gehen, ha? Im Urlaub reg ich mich am allermeisten auf, da war ich vor drei Jahren das letzte Mal da, lauter Wahnsinnige und Gipsköpfe laufen da umananda. Um acht Uhr in der Früh rennen s’ zum Strand zum Ausruhen. Da haben sie die ganze Nacht geschlafen, und dann rennen sie zum Ausruhen. Dann schmieren sie sich mit Sonnenschutzcreme ein, den ganzen Tag, und was machen sie? Sie legen sich in die Sonne, ja, wo ist denn da die Logik, wenn ich mich vor der Sonne schützen will, geh ich halt in den Wald rein, oder? Lauter Wahnsinnige!« Wir versuchen ihn bestätigend zu beruhigen, damit er sich endlich hinsetzt.
     

Mit drei Arabern im Zelt
     
    »Griaß eich«, sagt er im Hinsetzen und referiert sofort weiter, »sagt amal, habts ihr schon mal gesehen, was die Leute im Urlaub essen? Das habt ihr noch nie gesehen, weil ihr noch nie im Urlaub warts, das sag ich euch jetzt, da haben sie einen großen Teller, drauf ein Berg von schwarzem Zeug, ich weiß gar nicht mehr, wie es heißt.« Er holt drei zerknüllte Zettel aus seiner Tasche, entknüllt diese auf dem Tisch, »i hab mir’s aufgeschrieben, ich kann mir nichts mehr merken, da haben wir’s, hier, Miesmuscheln, in Italien heißt es auch noch cozze, so was bestell ich doch erst gar nicht, oder? Ich wollte gar nicht sehen, wie die das essen, hab gleich weggeschaut, dann schau ich irgendwann wieder hin, und der gleiche Berg ist immer noch da. Die Bedienung kommt, räumt

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