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Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge

Titel: Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fuchsberger
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verschiedenen Altersvorgängen«, also den unaufhaltsamen Niedergang von Saft und Kraft im Menschen, »Gerontologie«, und die kommt zur der unwiderlegbaren Erkenntnis: So ist das nun mal!

    Man kann die ganze Sache auch weniger akademisch betrachten und einfach dem gesunden Menschenverstand überlassen. Der sagt: Scheiße!
    Ich persönlich behandle das zugegeben nicht immer einfache Problem nach Josef Kirschner, dessen Buch »Die Kunst, ein Egoist zu sein« mir geholfen hat, als es mir sehr dreckig ging. Drei Monate lang mit einer infektiösen Hepatitis im Krankenhaus, wehrte ich mich mit Erfolg gegen lebende Schafsläuse, die man mir zum Schlucken geben wollte.
     
    Alle guten Ratschläge gegen das Altern durch intelligenten Umgang mit dem menschlichen Verfallsdatum hängen weitestgehend von der Situation ab, in der sich das dem Verfall ausgelieferte Individuum zu diesem Zeitpunkt befindet. Fest steht: Früher oder später bist du dran! Also mach das Beste daraus. Kümmere dich nur noch um dich. Mach aus den gegebenen Umständen das Beste für dich. Nur wenn du mit dir selbst zufrieden bist, kannst du auf andere positiv einwirken. Hört sich gut an. Oder?
    Als Kind wird man oft gefragt: »Was willst du denn mal werden?« Ich glaube, die Frager haben da schon eine bestimmte Erwartung, was die Antworten der lieben Kleinen betrifft. Lokomotivführer, Fußballspieler, Rennfahrer scheinen bevorzugte Berufe
von Kindern zu sein, die mit den Füßen auf der Erde bleiben wollen. Solche, die schon im Kindesalter nach Höherem streben, entscheiden sich eher für Pilot, Astronaut oder Schornsteinfeger. Zu meinem Lebensziel befragt, soll ich geantwortet haben: »Unabhängig will ich werden!« Ich kann mich nicht erinnern, wie alt ich bei dieser Antwort war und ob ich überhaupt schon wusste, was Unabhängigkeit bedeutete.
     
    Wann fängt das Altern an? Es gibt junge Alte, alte Alte, manche scheinen bereits alt auf die Welt gekommen zu sein, und dann die, die bewusst vergessen, alt zu werden. Sie können oder wollen nicht alt werden, oder sind schlicht und einfach zu dumm, dem Unabänderlichen mit Anstand zu begegnen. Rosa Hemden, bis zum Nabel geöffnet, schwere Goldketten mit Kreuz auf gefärbtem Brusthaar, das sind vergebliche Versuche, darüber hinwegzutäuschen, dass im Ernstfall nur noch Viagra über die Runden hilft. Der dazu notwendige Körperteil wird in betont engen, künstlich durchlöcherten Jeans zur Schau gestellt. Im Kopf nicht viel, oben drauf gar nichts, oder aber eine künstliche, in beliebigen Farben und Längen erhältliche Spielwiese. Diese »Playgreise« werden gern in einschlägigen Blättern oder TV-Magazinen
als »ewig jung« angeboten, obwohl es angebracht wäre, sie einfach zu übersehen.
    Zu welcher Altenart gehöre ich eigentlich? Ich vermag mich da nur schwer zu kategorisieren. Wann begann bei mir das Unabänderliche? Vielleicht als ich mit zwölf anfing zu rauchen? Oder war es, als ich als Vierzehnjähriger, auf dem Düsseldorfer Rathausturm, beim ersten Bombenangriff, die halbe Altstadt mit einem Teil der Bevölkerung in die Luft fliegen sah?
    Oder vielleicht als ich mit achtzehn Jahren, am 2. Mai 1945, bei Bad Kleinen in russische Kriegsgefangenschaft geriet und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen konnte, liquidiert zu werden?
    War es ein paar Monate später im Bergwerk, tausend Meter tief, im siebzig Zentimeter niedrigen Streb, vor Angst zitternd, wenn der Berg sich unter Donnergrollen über mir bewegte? Aus dieser Zeit stammt die Platzangst, unter der ich heute noch leide. Aufzüge in hohen Häusern zum Beispiel, wenn sie eng sind, und nicht verspiegelt, bereiten mir Atemnot. Wenn so ein Käfig dann auch noch ein bisschen ruckelt, habe ich wieder das Gefühl, mit zwanzig anderen Kumpels in einen Förderkorb gepresst, mit sieben Meter pro Sekunde in die Tiefe zu rasen, nicht wissend, ob wir je wieder ans Tageslicht kommen!

    Oder bin ich alt geworden, als ich die Dreharbeiten in dem Film »Die feuerrote Baroness« in Berlin unterbrechen musste, um nach München zu fliegen, wo meine Frau nach einer Fehlgeburt mit dem Tod rang?
    Bin ich alt geworden, als unser Sohn Thomas innerhalb von acht Monaten einundzwanzig Eingriffe mit Vollnarkosen überstehen musste, und wir nicht wussten, ob wir ihn verlieren würden?
    Für jeden Menschen gibt es Ereignisse, die ihn im Innersten aufwühlen, ihn verändern, sein Denken in andere Bahnen lenken, ihn reifer machen, erfahrener,

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