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Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge

Titel: Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fuchsberger
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älter eben. Wie der Einzelne solchen Situationen begegnet, das hängt zum großen Teil davon ab, wie unabhängig er ist, ob er frei entscheiden kann, in welchem sozialen Umfeld er lebt.
    Also wann ich mit dem Älterwerden begonnen habe, weiß ich nicht mehr. Aber ich erinnere mich daran, dass ich bei meiner Altersangabe immer log. Nach oben. Immer so um die zwei Jahre drauf. Meine Umgebung lachte darüber. »Wart’ mal, bis du zwanzig bist...!«
    Dreißig - vierzig, fünfzig, sechzig, es blieb so. Ich machte mich immer älter. Scheint ein Tick zu sein bei mir. O.W. Fischer, der Große, von mir damals bewundert, nannte mich mal bei einem Streitgespräch:
»Junger Freund« - womit er bei mir verschissen hatte. »Junger Freund« war für mich gleichbedeutend mit »noch nicht trocken hinter den Ohren«. Ich fühlte mich nicht für voll genommen, schlichtweg eine Beleidigung. Auf »Junger Mann« reagiere ich heute, mit bald dreiundachtzig, immer noch allergisch, obwohl ich weiß, dass es scherzhaft gemeint ist. Ich kann’s einfach nicht hören. Ein paar Macken hat doch jeder. Basta! Hängt vermutlich mit der manchmal unterentwickelten Vorstellungskraft von Filmproduzenten oder Regisseuren zusammen. »Zu jung...« ist eine gern gebrauchte Ausrede, wenn sie dich nicht in einer Rolle sehen, die du gern gespielt hättest.
    Neulich soll einer der Mächtigen, die im Auftrag der Anstalten des Öffentlichen Rechts produzieren, über mich gesagt haben: »Der ist zu alt, um einen alten Mann zu spielen...!«
    Der Mann weiß Bescheid!
    »Wie alt wollen Sie denn werden?«, werde ich oft gefragt.
    »Ich möchte so lange leben, wie mein Kopf einwandfrei arbeitet!«
    »Wollen Sie so alt werden wie Heesters?«
    »Bitte nein!«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich unabhängig bleiben will!«

    »Sind Sie’s?«
    »Ich glaube ja!«
    »Was heißt, Sie glauben...?«
    »Ich kann ablehnen, wenn mir ein Angebot nicht gefällt!«
    »Tun Sie’s?«
    »Immer öfter. Gute Angebote werden seltener.«
    »Was haben Sie zuletzt gemacht?«
    »Für ARD und ORF ›Live is Life‹, eine köstliche Komödie, die im Altenheim spielt, dessen Insassen dagegen rebellieren, wie unmündige Kinder behandelt, bevormundet und drangsaliert zu werden. Leider wurde der Titel umgeändert in ›Die Spätzünder‹, was meiner Meinung nach schon an Diskriminierung für uns alte Leute grenzt. Wir sind keine Spätzünder, sondern Menschen, die nach einem langen Arbeitsleben ihren wohlverdienten Frieden und ihre Ruhe suchen. Was heißt da ›Spätzünder‹?«

Zwischen Toleranz und Wurstigkeit
    Jetzt kommt eine Monumental-Platitude: Ob Karl Marx oder Friedrich Engels, Karl Liebknecht oder Rosa Luxemburg, ob Franz Müntefering oder »Reichtum für Alle-Gregor Gysi«: Soziale Unterschiede gab
es, gibt es, und wird es immer geben. Alle Versprechungen, diese soziale Ungerechtigkeit zu beseitigen, sind mehr oder weniger gut gemeinte Illusionen, meist aber nur demagogisches Politikergefasel. Die Rattenfänger sind mit ihren »Ismen« unterwegs. Kommunismus, Sozialismus, Kapitalismus, Liberalismus, Buddhismus, Humanismus und sonst noch was. Alle »Ismen« sind idealistische oder ideologische Ideen, die nicht funktionieren, weil Menschen nicht danach gemacht sind. Für Ismen sind wir eine glatte Fehlkonstruktion. An die sechs Milliarden Individuen, bei unterschiedlichen Lebensbedingungen, in unterschiedlichen politischen Systemen, lassen sich nicht »ver-ismen«, lassen sich nicht über einen Kamm scheren.
     
    Zu welcher Alten-Art gehöre ich eigentlich? Junger Alter, alter Alter, alt geboren? Wenn ich mich selber einstufe, würde ich sagen: ein Alt-Alter. Abgesehen von den zunehmenden Wehwehchen bin ich gern alt. Genieße den mir erwiesenen Respekt, freue mich, wenn Regierende erzählen, dass sie am Abend meine Sendungen sehen durften, wenn sie am Nachmittag ihre Schulaufgaben anständig gemacht hatten.
    Bundespräsident Herzog nannte mich im Gedränge vor der Münchner Staatsoper »Freudenspender
seiner Freizeit«. Donnerwetter! Ministerpräsident Horst Seehofer verkündete den Fotografen, als er mich im Defilee zu seinem Neujahrsempfang entdeckte: »Dort kommt meine Jugend, mit dem Blacky bin ich aufgewachsen!« Auch nicht schlecht.
    Also sind wir Alten bei den jungen Mächtigen doch was wert. Vielleicht könnten wir eine Art GPS sein, ein »Navi« für die Jugend. »Wenn möglich bitte wenden« - »nächste Straße bitte rechts« - »im Kreisverkehr zweite Ausfahrt!«

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