Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge
gleichzeitig aber verkünden, keine Mittel für die Probleme im eigenen Land zu haben.
Da genügt für einen zündenden Augenblick ein junges Menschenkind, das auf unnachahmliche Art die
Probleme der gebeutelten Deutschen in Grund und Boden singt und hüpft. Ein Kontinent tanzt mit Lena und vergisst, dass es ein Tanz auf dem Vulkan ist.
Zurück zur Realität. Als altes Zirkuspferd denke ich nicht im Traum daran, die Leistung des Naturtalents Lena Meyer-Landrut auch nur im Geringsten zu schmälern. Im Gegenteil! Hut ab vor der jungen Dame!
Was mir zu denken gibt: Wie lange wird der Traum anhalten? Wie lange wird die Begeisterung ausreichen, die Sorgen durch ein kleines Lied zu verdrängen?
Der Euphorie folgt die Ernüchterung. Was in Oslo geschah, kann man nicht planen, es geschieht eben einfach, und das ist gut so!
Ich war selbst überrascht, dass ich mich mit dreiundachtzig Jahren noch mal begeistern kann, für eine neunzehnjährige Schlagersängerin. Plötzlich war ich wieder jung, zurückversetzt in die Zeit vor fast sechzig Jahren, noch vor der Schauspielerei, als ich mit Schlagertexten mein Geld verdiente, für Gitta Lind, und später für Udo Jürgens, Adamo, Harald Juhnke, Bibi Johns, Howard Carpendale und viele mehr.
»Denn erstens kommt es anders...«
Keiner weiß, wie viele Jahre einem zugedacht sind, also versuche ich, aus jedem das Bestmögliche zu
machen. Sternstunden und schwarze Löcher kommen wie das Wetter im April, unangemeldet, treffen dich unvorbereitet, also bleib auf der Hut!
Mein Lebensmotto war und ist: Über Hürden springst du, wenn du vor ihnen bist, nicht vorher, wenn du sie noch gar nicht siehst. Wer am Start an die Gefahren des Rennens bis ins Ziel denkt, kann es nicht gewinnen.
Abgesehen von der persönlichen Situation jedes Einzelnen, zur Zeit gehen wir ganz offensichtlich durch eine depressive Phase. Jammern ist angesagt, Zweifel an der Zukunft sind angebracht. Was immer wir lesen, sehen, hören, die Angst geht um.
Nicht doch! Angst lähmt, macht krank, hindert uns daran, die Suppe auszulöffeln, die wir Menschen uns doch selbst eingebrockt haben. Wir alle, die wir auf diesem wundervollen Planeten leben.
Je älter ich werde, umso fester hält mich die Erde. Ich bin dankbar für jeden Tag, den ich sie mit Füßen treten darf. Bis zum Ende bleibt es ein Hindernisrennen, mit allem, was dazugehört. Es ist spannend, schön, grausam, interessant, es ist himmelhoch jauchzend und auch zu Tode betrübt, es ist lebenswert.
Inzwischen bin ich dreiundachtzig Jahre, acht Monate und zwanzig Tage alt.
Ich gehe langsam. Die letzte Hürde kommt in Sicht. Wenn sie da ist, werde ich hoffentlich mit Mut und Anstand springen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
1. Auflage
Copyright © 2010 by Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
eISBN 978-3-641-05227-0
www.gtvh.de
www.randomhouse.de
Weitere Kostenlose Bücher