Alvion - Vorzeichen (German Edition)
mindern und drehte mein Gesicht sofort wieder in seine Richtung, obwohl mir der harte Aufprall die Luft aus den Lungen presste. Noch stand mein Gegner, aber er taumelte, während mein Schwert noch immer in seiner Seite steckte. Bevor er endgültig fiel, wandte er seinen Kopf gegen den Himmel und stieß ein letztes Mal das gewaltige Brüllen heraus, doch diesmal hörte ich mehr als Zorn und Drohung heraus. Obwohl ich bis zu jener Nacht niemals einen Mertix brüllen gehört hatte, war ich sicher Angst, Schmerz und Überraschung zu erkennen. Blitzschnell richtete ich mich auf, griff nach der Fackel, die ich im Flug losgelassen hatte und hastete zu dem gefallenen Ungeheuer hinüber. Es lebte noch, war aber schon zu schwach, um noch irgendetwas gegen mich zu unternehmen. Einen kurzen Moment starrte ich in das unendlich fremde Gesicht und die gänzlich schwarzen Augen, ohne irgendein Gefühl darin erkennen zu können, dann packte ich den Griff meines Schwertes und zog es aus seinem Körper heraus und wurde gleich darauf von einem Strahl warmer, dunkler Flüssigkeit getroffen. Dies raubte dem Mertix endgültig das Leben und gleich darauf stieß er seinen Todesschrei in die Nacht hinaus, dann lag er still. Dieser markerschütternde Gebrüll ließ mir fast das Blut in den Adern gefrieren, sodass ich mich schnell von der Kreatur abwandte und mich umblickte, um einen neuen Gegner zu finden. Doch der Tod des einen hatte eine erstaunliche Wirkung gehabt, denn ich sah nirgendwo noch einen anderen Mertix. Sie hatten sich offenbar sofort zurückgezogen, als einer von ihnen gefallen war.
Prüfend blickte ich über die Lichtung, wo verstreut die Fackeln kleinerer Gruppen die Nacht etwas erhellten. Zwischen den vorher auf uns geschleuderten Leichenteilen lagen die Körper von vielen weiteren Toten und an mehreren Stellen flackerte noch das Feuer von am Boden liegenden Fackeln.
„ Sammelt euch! Alle sofort zu mir!“, rief ich aus und streckte meinen Arm mit der Fackel in die Höhe und kratze mich geistesabwesend im Nacken, der fürchterlich juckte und prickelte.
Wenige Minuten später hatten sich die Überlebenden des zweiten Angriffs um mich geschart. Es dauerte einige Augenblicke, bis ich mein Entsetzen niedergekämpft hatte, denn es waren gerade einmal dreißig Soldaten, die sich eingefunden hatten, einige davon auch noch übel zugerichtet. Auch Abax war verschwunden, vermutlich war er tot, sodass es nun an mir alleine lag, die wenigen Überlebenden aus dem Wald zu führen. Ich musste die Augen schließen und mich zwingen, ruhig zu atmen und zu überlegen, doch ich fühlte, wie die Angst in mir von Augenblick zu Augenblick immer größer wurde. Einen weiteren Angriff würde keiner von uns überleben, so viel war klar.
„ Versorgt eure Wunden so gut es geht, wir verschwinden von hier! Unsere Gegner haben sich zurückgezogen, doch ich glaube, dass sie bald wieder angreifen. Wir müssen die Zeit nutzen und hoffen, dass sie nicht auch vor uns sind!“
„ Verzeiht Sire!“, wandte einer der Männer ein und trat vor. „Aber im Wald werden wir den nächsten Angriff nicht einmal kommen sehen.“
„ Ich weiß“, erwiderte ich müde. „Aber egal ob wir den nächsten Angriff kommen sehen oder nicht, er wird keinen von uns mehr übrig lassen. Unsere einzige Hoffnung ist, dass uns die Flucht aus den Wäldern gelingt! Wenn ihr alle lieber hier bleiben wollt, werde ich euch nicht im Stich lassen und mit euch hier auf mein Ende warten, aber ich versichere euch: Hier, auf dieser Lichtung, wird keiner von uns den Morgen erleben!“
Diese Worte verfehlten ihre Wirkung nicht: Nach einem kurzen Augenblick des Schweigens sah ich auf allen Gesichtern Zustimmung, wenn auch nur schwach, da die meisten vornehmlich von Angst gezeichnet waren. Es dauerte einige Minuten, bis alle Wunden so weit verbunden waren, dass wir aufbrechen konnten, was ich auch augenblicklich befahl. Ich ging voran über die Lichtung auf die schwarze Wand des Waldes zu und trat nach einem kurzen Augenblick des Zögerns in das Dunkel. Im selben Moment fühlte ich, wie Angst und Unsicherheit mich zu überwältigen drohten, aber ich blieb nicht stehen. Ich fühlte das Vertrauen und die Hoffnung der Männer, wie eine unsichtbare Last schwer auf meinen Schultern ruhen und wusste, dass ich nicht stehen bleiben durfte. Der Schein unserer Fackeln erzeugte auf dem dunklen Hintergrund aus Bäumen und Sträuchern ein merkwürdig anmutendes, fast beängstigendes Spiel aus
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