Alzheimer und Demenzen
dagegen sehr bewusst und intensiv wahrnehmen, machen andererseits deutlich, dass tiefe Krankheitseinsicht bei Demenz meist ihren Preis hat: Demenzkranke, die ihre Erkrankung und deren Symptome sehr bewusst wahrnehmen, reagieren nicht selten verzweifelt, angstvoll oder depressiv auf ihr Erleben. Angehörige solch depressiv Demenzkranker wünschen sich daher oftmals, der Kranke würde seine Erkrankung weniger bewusst und intensiv wahrnehmen.
Was ich als Angehörige daraus lernen kann
Angehörige stehen Tag für Tag und Situation für Situation vor der Frage: Wie mache ich es richtig? Ein Patentrezept gibt es nicht. Aber manchmal hilft das Wissen um die »alte« Persönlichkeit des Menschen, seine Vorlieben und Abneigungen. Meist signalisieren Menschen mit Demenz auch, welches Bedürfnis sie gerade haben – nur müssen die Zeichen erkannt werden.
Als Angehhörige beschäftigen mich ja immer wieder 2 große Fragen hinsichtlich meines eigenen Verhaltens gegenüber dem demenzkranken Familienmitglied:
Welche Maßnahmen sind gut für ihn: Trainingsmaßnahmen, die ihn fordern, um den Abbau seiner Fähigkeiten zu verlangsamen oder Entlastung von Aufgaben, die ihm offenbar schwerfallen?
Welcher Umgang mit der Erkrankung ist richtig: Mit dem Kranken über seine krankheitsbedingten Veränderungen reden oder seiner Defizite einfach übergehen und sie als normale Altersveränderungen darstellen und nicht weiter beachten?
Während sich die folgenden Kapitel differenziert mit den Antworten auf diese Frage beschäftigen, können aus dem Wissen von dem Erleben des Demenzkranken und seiner wechselhaften Krankheitseinsicht bereits hier Schlussfolgerungen gezogen werden.
Welche Maßnahmen sind gut?
Wenn demenzkranke Menschen in Interviews berichten, dass sie den möglichen Verlust ihrer Identität als größte Bedrohung empfinden, dann kann man daraus das oberste Ziel ableiten, an dem sich alle Maßnahmen und Formen des Umgang orientieren sollten: die Identität des Kranken zu stabilisieren und sein Selbst zu bewahren. Um dieses Ziel umzusetzen, ist es wichtig, diejenigen Aspekte seines Lebens zu betonen und zu fördern, die durch die Demenzerkrankung (noch) nicht betroffen sind, d. h. die sich (noch) nicht verändert haben: alte Persönlichkeitszüge und -eigenschaften, erhaltene Fähigkeiten, noch mögliche Betätigungen und Alltagsaktivitäten. Fundament für einen solchen identitätsstützenden Umgang ist eine bestimmte Grundhaltung dem Kranken gegenüber, die sich auf die verbliebenen Kompetenzen konzentriert und nicht auf die bereits eingetretenen Defizite. In der Fachliteratur spricht man daher von dem Prinzip »Kompetenzorientierung statt Defizitorientierung«.
Welcher Umgang ist richtig?
Natürlich sind Menschen in der Art ihrer Bewältigung sehr unterschiedlich. Als Angehörige kenne ich mein demenzkrankes Familienmitglied ja schon lange und weiß wahrscheinlich, wie er mit kritischen Lebensereignissen früher umgegangen ist und welche Bewältigungsstrategien er bei Krisen gezeigt hat. Hat er versucht, Probleme auszusitzen oder zu verdrängen oder kleinzureden oder hat er eher dazu geneigt, schwierige Situationen offen anzusprechen und ihreLösung aktiv anzugehen? War er ein Einzelkämpfer, der Sorgen und Krisen mit sich selbst ausgemacht hat oder war er doch mehr ein Teamplayer, der bei Schwierigkeiten den Rat und die Hilfe anderer eingeholt hat?
Ein solches Wissen mag es mir zwar oft erleichtern, den Kranken in seinem jetzigen Erleben und Verhalten zu verstehen und zu unterstützen, doch hilft mir das Wissen über seine früheren Bewältigungsformen für die aktuelle Situation nicht immer: Viele Demenzkranke verändern sich durch die Erkrankung ja auch in ihrer Persönlichkeit – und damit auch in ihrer Art und Weise, schwierige Situationen zu meistern und zu verarbeiten – so stark, dass mir als Angehörige das aktuelle Problemlösungsverhalten des Kranken ganz neu, unbekannt und teilweise vielleicht auch unnachvollziehbar erscheint.
Wenn es auch keine einfachen Rezepte im Umgang mit demenzkranken Menschen gibt, scheinen aber doch einige Handlungsprinzipien zu gelten, die das Wohlbefinden demenzkranker Menschen fördern und stärken und die Beziehung zu ihnen stabilisieren.
Akzeptanz und Kommunikation
Zunächst muss ich als Angehörige wohl lernen zu akzeptieren, dass sich meine Wahrnehmung des Kranken »von außen« von seiner eigenen Selbstwahrnehmung »von innen« sehr wahrscheinlich unterscheidet und seine
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