Alzheimer und Demenzen
Selbstwahrnehmung nicht immer gleich bleibt, sondern sich verändern kann und je nach Situation, Erlebnis und Stimmung schwankt. Als Angehörige stehe ich nun vor der großen Aufgabe, mit diesen »Selbsterkenntnisschwankungen« des Kranken mitzuschwingen, d. h. mich mit ihm zu freuen, wenn Defizite aktuell nicht in Erscheinung treten, und ihn zu begleiten, zu trösten und zu unterstützen, wenn er sich verunsichert und hilflos erlebt und die Zukunft ihn ängstigt.
Ebenso »schwingungsfähig« sollte ich auch sein, wenn es um die Entscheidung geht, ob und in welcher Form ich mit dem Kranken über seine Demenzerkrankung spreche: In Zeiten, in denen er selbst seine Krankheit nicht wahrnimmt oder seine Krankheitseinsicht nicht offenbaren kann, ist es meist weder hilfreich noch ratsam, ihn auf seine Krankheit oder seine Symptome bzw. Defizite anzusprechen. Erlebt er seine Beeinträchtigungen hingegen selbst und offenbart diese Wahrnehmungen auch, kann es ihn in seiner Krankheitsbewältigung sehr unterstützen, wenn ich als Angehörige behutsam nach seinen Wahrnehmungen und nach möglichen Sorgen und Ängsten frage, zugleich versuche, Zuversicht auszustrahlen und meine Hilfe zusichere.
Als Angehörige sollte ich mir daher immer klar vor Augen führen, dass die Art und Weise, wie mein demenzkranker Familienangehöriger mit seiner Erkrankung umgeht, einerseits durch seine hirnorganischen Veränderungen verursacht ist, andererseits aber auch Ausdruck seiner psychischen Bewältigungsstrategie darstellt, die seiner Lebensgeschichte entspringt und das Ziel verfolgt, das eigene Selbst zu schützen. Auch wenn es mir manchmal sicherlich sehr schwerfällt, sollte ich ihm diese Schutzmaßnahme nicht zerstören.
Bedürfnisse erkennen – einfühlsam kommunizieren
Eine Demenz führt oft zu tief greifenden Störungen der Kommunikation zwischen dem Erkrankten und anderen Personen – auch engen Angehörigen. Einfühlsame Kommunikation bedeutet, dem Kranken in seine Innenwelt zu folgen.
Die »ideale Kommunikationsbeziehung«
Um die Kommunikation mit einem demenzkranken Menschen so lange wie möglich aufrechtzuerhalten, bedarf es einer inneren Haltung gegenüber dem Kranken, die von Akzeptanz und Wertschätzung geprägt ist. Dadurch wird es möglich, Einfühlungsvermögen zu entwickeln, das die Grundvoraussetzung für den Erhalt der Kommunikationsbeziehung darstellt.
Will ich als Angehörige verstehen, wie durch eine Demenzerkrankung die Grundlagen gelingender Kommunikation zerstört und Kommunikationsbeziehungen dadurch erschwert werden, ist es hilfreich, sich einmal vor Augen zu führen, was eine »ideale Kommunikationsbeziehung« ausmacht – auch wenn ich zu dem kranken Familienmitglied auch vor seiner Erkrankung vielleicht nicht unbedingt eine »ideale« Beziehung hatte. Denn das Verstehen der idealen Voraussetzungen gelingender Kommunikation zeigt mir, dass diese in der Beziehung zu einem demenzkranken Menschen nicht mehr gegeben sein können – es zeigt mir aber auch, welche Möglichkeiten ich prinzipiell habe, um die Bedingungen für unsere Kommunikationsbeziehung zu optimieren.
Ein sehr eingängiges Modell der idealen Kommunikationsbeziehung stammt von der psychotherapeutischen Richtung der »Transaktionsanalyse«. Es besagt, dass 2 Menschen sich nur dann in idealer Weise verständigen und verstehen können, wenn ihre Beziehung von gegenseitiger Empathie geprägt ist. Mit Empathie ist Einfühlungsvermögen gemeint, d. h. nur wenn beide Kommunikationspartner sich in den jeweils anderen hineinversetzen, einfühlen, die Welt auch aus seiner Perspektive sehen können, kann echtes Verständnis entstehen.
»Ich bin o.k.« – »Du bist o.k.«
Grundbedingung für gegenseitige Empathie ist, dass die beiden Kommunikationspartner eine bestimmte Grundhaltung zu sich selbst und dem jeweils anderen einnehmen, für die die Transaktionsanalytiker Thomas A. Harris und Eric Berne das schöne Schlagwort »Ich bin o.k. – Du bist o.k.« geprägt haben. Mit dieser plakativen Aussage ist nicht etwa gemeint, dass man alles, was man selbst oder der andere sagt, denkt oder tut, unkritisch für gut befindet – vielmehr versteht man darunter den grundsätzlichen Respekt vor sich und dem anderen, eine grundlegende Akzeptanz und die prinzipielle Überzeugung, dass wir, der andere und ich, beide unser Bestes geben.
»Ich bin o.k.«: sich selbst akzeptieren
Um mich in einen anderen Menschen hineinversetzen zu können, muss ich mich – zumindest
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