Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alzheimer und Demenzen

Alzheimer und Demenzen

Titel: Alzheimer und Demenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prof. Dr. Sabine Engel
Vom Netzwerk:
oft auch ihr Einfühlungsvermögen. Für Angehörige ist es schwer, die neue Situation zu akzeptieren, aber sie lernen im Laufe der Zeit, mit belastenden Gefühlen umzugehen.
    Wenn man gegenseitige Empathie als tragende Säule von erfolgreicher Verständigung begreift, die ihrerseits wiederum auf Selbstakzeptanz und Akzeptanz der Gesprächspartner basiert, wird deutlich, warum es zwischen dem Demenzkranken und mir als Angehöriger immer wieder zu Kommunikationsstörungen kommt.
Demenz erschwert das Einfühlungsvermögen
    Wir wissen heute, dass ein Mensch mit einer fortgeschrittenen Demenzerkrankung ohnehin nicht mehr über die geistige Fähigkeit zur Empathie verfügt. Dann habe ich als Angehörige zunehmend den Eindruck, dass mein kranker Familienangehöriger immer egoistischer und selbstbezogener wird, immer weniger Interesse für andere – und sogar für mich! – aufbringt. Dass eine derartige wachsende Anteilnahmslosigkeit für mich psychisch sehr kränkend und belastend sein kann, liegt auf der Hand! Ein geliebter Mensch, der sich immer mit mir verbunden und solidarisch gefühlt hat, verliert sein Interesse an mir und meinen Belangen. Dieser Verlust der Empathie ist eine Folge der fortschreitenden Demenzerkrankung. So kränkend dies auch für mich ist, kann ich es doch am besten ertragen, wenn ich die »egoistischen« Äußerungen oder Handlungen als Zeichen einer Erkrankung akzeptiere.
    Doch auch schon in frühen Stadien der Demenzerkrankung, in denen der Kranke möglicherweise noch durchaus imstande wäre, sich in einen anderen Menschen einzufühlen, wird seine Empathiefähigkeit – und die der Angehörigen – oft aufgrund psychischer Ursachen sehr erschwert. Denn wenn die beiden Kommunikationspartner aufgrund der Veränderungen, die eine Demenzerkrankung mit sich bringt, ihre jeweilige Akzeptanz und Selbstakzeptanz verlieren, nagt das an den tiefen psychischen Wurzeln ihrer Kommunikationsbeziehung.
    wichtig
    Selbstakzeptanz bedeutet, realistisch die eigenen Stärken und Schwächen einschätzen zu können und trotz des Wissens um die eigenen Unzulänglichkeiten ein stabiles Selbstwertgefühl zu behalten. Durch seine Demenzerkrankung wird es für den Kranken jedoch immer schwerer, eine realistische Selbsteinschätzung und eine respektvolle Einstellung zu sich selbst zu bewahren.
Der Betroffene schämt sich für seinen geistigen Abbau
    Viele demenzkranke Menschen können sich selbst nicht einfach so akzeptieren wie sie sind, weil sie sich für ihre Defizite schämen. Diese Scham ist ja auch insofern nachvollziehbar, als in unserer Kultur Wissen, Intelligenz und geistige Leistungsfähigkeit einen hohen Stellenwert haben. Über diese Werte schaffen wir uns unseren Selbstwert. Das beginnt schon in der Schule: Kinder, die zwar eine große soziale Kompetenz haben, ausgeglichen und friedfertig sind, aber »nur« einen Notendurchschnitt von 3 haben, gelten als weniger erfolgreich als die Kinder, die allerlei Probleme im Kontakt mit anderen Kindern, aber in den Schulfächern durchweg sehr gute Noten haben. Über die geistigen Leistungen definieren wir uns und unseren Wert.
    Und wie verständlich ist es daher, dass ein Mensch mit Demenz anfänglich versucht, die Defizite zu verbergen und sie weder sich noch anderen einzugestehen. Durch diese Scham kann man sich auch erklären, dass manche Kranke neidisch darauf reagieren, wenn ihrem Angehörigen etwas gelingt, was sie selbst nicht mehr können.
    So ist z. B. folgende Begebenheit denkbar: Der Kranke berichtet mir, dass er am Vormittag eigentlich das Gras im Garten schneiden wollte, aber feststellen musste, dass der Rasenmäher nicht funktionierte! Deshalb sehe ich mir das Gerät nun genauer an und sehe sofort, dass das Stromkabel nicht eingesteckt ist. Um den Kranken nicht bloßzustellen, schließe ich den Mäher ans Stromnetz und erledige die Arbeit schnell, ohne viele Worte darüber zu verlieren. Doch als er sieht, dass mir gelungen ist, was er am Vormittag nicht geschafft hat, wird er wütend und schleuderte mir ärgerlich entgegen: »Natürlich kannst du immer alles!«
    wichtig
    Nur wenn ich als Angehörige eine stabile »Ich-bin-o.k.-du-bist-o.k.-Haltung« habe, kann ich mich in den anderen einfühlen und höre »hinter« seinen aggressiven Worten seine Scham und Verzweiflung!
Er will seine Beeinträchtigung verbergen
    Das Leugnen der eigenen Unfähigkeit kann natürlich zu massiven Kommunikationsproblemen führen: Obwohl der Kranke versucht, seine

Weitere Kostenlose Bücher