Alzheimer und Demenzen
kurzfristig – von mir selbst und meinen eigenen Bedürfnissen, meiner Meinung undmeiner Sicht auf die Dinge loslösen und distanzieren. Erst dann ist es mir möglich, mich auf die Gefühlswelt meines Kommunikationspartners einzulassen.
Eine Grundaussage der Kommunikationspsychologie lautet: Gelingende Kommunikation setzt Einfühlungsvermögen voraus, die nur durch Selbstakzeptanz und die volle Akzeptanz des anderen entstehen kann. Die Transaktionsanalyse hat dies mithilfe eines Schlagwortes auf den Punkt gebracht: Kommunikation gelingt dann, wenn beide Gesprächspartner die Haltung haben: »Ich bin o.k. und du bist o.k.«
Wann immer ich aber mit mir selbst, meinen Bedürfnissen und meinen Gefühlen beschäftigt bin, sie nicht »loslassen« kann, fällt es mir sehr schwer, wirkliche Empathie für einen anderen aufzubringen. In solchen Situationen kann es leicht passieren, dass ich zwar glaube, den anderen so zu verstehen, wie er es gemeint hat, ich aber tatsächlich doch nur meine eigenen Vorstellungen in ihn hineinprojiziert habe:
Ich spüre meine Bedürfnisse und glaube, es seien seine.
Ich erkenne meine Ängste und denke, es seien seine.
Ich fühle meine Aggressionen und bilde mir ein, es seien seine.
wichtig
Erst wenn ich mir meiner Besonderheiten und meines Wertes sicher bin, bin ich auch in der Lage, mich einmal von mir zu lösen, um mich in die Innenwelt eines anderen einzufühlen. Was so leicht klingt, ist vielleicht eine der schwierigsten Lebensaufgaben überhaupt: die Selbstakzeptanz.
Um zwischen meiner uns seiner Innenwelt unterscheiden zu können, muss ich meine Welt genau kennen, muss mich selbst, meine Bedürfnisse, Ängste, Wünsche, meine Stärken und Schwächen kennen, muss mich selbst akzeptieren. Deshalb lautet eine Grundaussage der Kommunikationspsychologie: Die Fähigkeit, sich mit anderen erfolgreich zu verständigen, setzt voraus, dass ich mich selbstkenne und mit all meinen Eigenheiten und Schwächen akzeptiere.
»Du bist o.k.«: den anderen akzeptieren
Doch um empathisch sein zu können, d. h. mich in die Welt meines Gesprächspartners einzufühlen, ist es mit Selbstakzeptanz allein nicht getan! Denn natürlich muss ich hierfür nicht nur mich selbst als Person, sondern auch ihn akzeptieren.
Ängstliche Äußerungen verstehen, glauben und akzeptieren. Wenn mein demenzkranker Familienangehöriger mich immer wieder fragt, wo ich denn jetzt hingehe, wann ich wieder heimkomme und ob ich mit dem Auto fahre. Er mich immer wieder bittet, vorsichtig zu sein, damit mir auch wirklich nichts passiert, kann ich nur dann empathisch mit ihm sein,
wenn ich weiß, was mit ihm los ist, d. h. wenn ich von seiner Erkrankung weiß und deren Auswirkungen auf sein psychisches Erleben. Wenn mir bewusst ist, dass Demenzerkrankungen mit Orientierungsstörungen einhergehen, diese den Kranken in die Abhängigkeit von einem anderen vertrauten Menschen führen und daher starke Ängste auslösen können, wenn der vertraute Mensch sich entfernt,
wenn ich dem Kranken glaube. Das heißt, dass ich ihm die Angst und Unsicherheit grundsätzlich glaube und nicht davon ausgehe, dass mich unter Druck setzen möchte,
wenn ich den Kranken und sein Gefühl akzeptiere. Und dies kann ich nur, wenn ich in der Lage bin, mich selbst und meine eigenen Gefühle – jetzt in diesem Moment – aus dem Spiel zu lassen. Vielleicht empfinde ich für gewöhnlich Unverständnis, wenn ein erwachsener Mensch in einer so alltäglichen Situation ängstlich ist, vielleicht rufen ängstliche Menschen normalerweise in mir Aggressionen hervor, weil ich Angst als Schwäche ansehe. Aber um meine Gefühlswelt geht es ja im Moment nicht! Es ist nicht wichtig, ob es mir selbst genauso gehen würde, wäre ich an seiner Stelle. Es ist nur wichtig, dass ich akzeptiere, dass es ihm so geht (und dies nur nebenbei: Es ist sehr wahrscheinlich, dass es mir ganz ähnlich ginge, wäre ich in seiner Situation!)
Was heißt das aber: Einen anderen Menschen akzeptieren?
Dass ich ihn kenne, mit seiner Lebenssituation vertraut bin, vielleicht auch mit seiner Lebensgeschichte.
Dass ich ihm grundsätzlich glaube.
Dass ich ihn mit all seinen Eigenschaften und Eigenarten annehme, ohne vom Wunsch beseelt zu sein, ihn zu ändern.
Die Demenz verändert tiefgreifend
Fast jede Erkrankung eines Partners verändert eine Beziehung. Ein Demenz verändert sie besonders tief. Menschen mit Demenz verlieren im Verlauf ihrer Krankheit viele ihrer Fähigkeiten und Eigenschaften –
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