Alzheimer und Demenzen
sich! Den ganzen Tag weicht er nicht von ihrer Seite. Ihrem Bedürfnis nach Entspannung konnte sie kaum nachkommen. Daher hatte sie anfangs versucht, jeden Tag 10 Minuten Yogaübungen im Wohnzimmer durchzuführen, während ihr Mann neben ihr auf dem Sofa saß. Doch kam es immer wieder zu Streit zwischen den beiden: Sie setzte sich auf ihre Trainingsmatte auf dem Fußboden, schaltete Entspannungsmusik ein, und während sie sich anschickte, sich auf ihre Übungen zu konzentrieren, die Hände vor der Brust zu falten und langsam über den Kopf zu führen, begann ihr Mann ihre Handlungen abzuwerten: »Was soll denn das für ein Quatsch sein, den du da mit deinen Händen machst! Ich habe mit meinen Händen zeit meines Lebens gearbeitet und ich habe viel geleistet! In unserer Werkstatt war ich der Beste!« Frau M. ärgerte sich über seine Störungen und schimpfte, er reagierte beleidigt, sie begannen einen Streit und vorbei war es mit der Entspannung für Frau M.! Obwohl Frau M. damals wusste, dass sich hinter den Angriffen ihres Mannes doch »nur« sein starkes Bedürfnis nach Anerkennung verbarg, wollte sie in dieser Situation nicht darauf eingehen. Sie brauchte Entspannung – und konnte sich während ihrer Yogaübung nicht auf ihren Mann konzentrieren!
Um sowohl seinem Bedürfnis nach Anerkennung als auch ihrem Bedürfnis nach Entspannung gerecht zu werden, hat Frau M. sich an einen Besuchsdienst ihrer Stadt gewendet. Sie hat es organisiert, dass Frau R., eine Dame vom Besuchsdienst, die in einfühlsamer Kommunikation mit demenzkranken Menschen geschult ist, zweimal in der Woche für jeweils zwei Stunden zu ihrem Mann kommt. Frau R. unterhält sich in dieser Zeit mit ihrem Mann. Nach anfänglicher Skepsis hat er sich mittlerweile an sie gewöhnt und spricht gerne mit ihr über seinen Beruf und seine Leistungen. Währenddessen besucht Frau M. eine Yogagruppe und stillt ihr Bedürfnis nach Entspannung, was ihr neue Kraft für die Betreuung und Versorgung ihres Mannes gibt.
Was ich vermeiden sollte
Dass Diskussionen auf der Ebene des Sachinhaltes nicht erfolgreich sind, haben schon einige der bereits geschilderten Beispiele gezeigt: Weder erwies es sich als hilfreich, den ängstlichen Mann, der zu seiner Mutter wollte, mit der Wahrheit über die längst gestorbene Mutter zu konfrontieren, noch war es der gemeinsamen zwischenmenschlichen Beziehung förderlich, als die Tochter ihrer frühstückzubereitenden demenzkranken Mutter schroff entgegnete, dass sie doch heute schon gefrühstückt hätten!
Darüber hinaus gibt es noch einige weitere Fallstricke, die eine einfühlsame Kommunikation mit einem Demenzkranken verhindern. Sie sollen im Folgenden kurz dargestellt werden.
Vermeiden Sie Fragen nach dem Warum
Wenn ich als Angehörige das zugrunde liegende Bedürfnis einer Äußerung oder Handlung meines demenzkranken Familienmitgliedes erkannt habe, es aber nicht nachvollziehen kann, neige ich vielleicht dazu, nach dem Grund dafür zu fragen: »Warum hast du jetzt Angst?«, »Warum bist du jetzt verunsichert?« Dies sollte ich aber vermeiden. Denn Warum-Fragen sind letztendlich nur gut getarnte »Angeln«, mit denen ich doch wieder versuche, von meinem Gesprächspartner eine rationale Nachricht auf der Sachinhaltsebene einzufordern. Warum-Fragen vermitteln dem Kranken den Eindruck, dass ich erst dann die Berechtigung seines Gefühls anerkenne, wenn er mir eine logisch nachvollziehbare Begründung liefert.
Vermutlich kann der Kranke aber keine Gründe dafür angeben, warum er z. B. Angst hat, alleine zu bleiben, während ich das Haus verlasse, um Erledigungen zu machen, oder draußen bin und in Ruhe im Garten arbeiten möchte. Die Frage: »Warum hast du denn Angst? Es passiert dir doch nichts!« hilft dem Kranken also nicht, sondern verunsichert ihn nur noch mehr. Denn einerseits verdeutliche ich ihm mit meiner Frage, dass ich seine Gefühle nicht nachvollziehen kann und deshalb also mit ihm und seinen Gefühlen etwas nicht stimmen kann. Andererseits weise ich ihn durch meine Frage auf seine Unzulänglichkeit hin, da er für seine Gefühle noch nicht einmal Gründe angeben kann. Statt ihm zu helfen, schwäche ich seine Position! Warum-Fragen können also echte Kommunikationskiller sein – übrigens nicht nur im Umgang mit Demenzkranken.
Ignorieren Sie vermeintliche Kritik
Eine Äußerung enthält nicht nur eine Selbstoffenbarungsnachricht, sondern auch eine Botschaft zur Beziehung. Mit jeder Äußerung gibt der Sprecher
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