Alzheimer und Demenzen
Bedürfnissen zu entsprechen. Und schließlich gibt es Situationen im Alltagsleben, in denen es sogar fast unmöglich erscheint! Der Alltag mit einem Demenzkranken ist zweifellos anspruchsvoll und anstrengend, kann bis an die Grenzen der eigenen persönlichen Belastbarkeit gehen. Mithilfe der einfühlsamen Kommunikation haben Angehörige ein Werkzeug an der Hand, das Leben mit dem Demenzkranker entspannter, ruhiger und positiver zu gestalten. Dadurch wird die Krankheit zwar nicht geheilt, aber die Stabilisierung der emotionalen Beziehung wirkt entlastend – für Demenzkranke und Angehörige.
»Wenn Besuch kommt, ist er auf einmal wieder »der Alte …«
Besonders schwer fällt es mir immer dann, die Leistungsschwankungen des Kranken zu akzeptieren, wenn er in Anwesenheit von anderen Menschen, z. B. von anderen Familienangehörigen, Freunden oder Bekannten, scheinbar ein kurzfristiges Leistungshoch hat, von früher erzählt oder über seine vielen Alltagsaktivitäten berichtet – obwohl diese Schilderungen vielleicht gar nicht der Realität entsprechen! – und sich seine Beeinträchtigungen und Probleme erst wieder dann in vollem Ausmaß zeigen, wenn ich mit ihm allein bin.
Man spricht in solchen Situationen davon, dass der demenzkranke Mensch eine gute Fassade aufrechterhalten kann: Es ist, als würde er in diesen Situationen eine Maske aufsetzen, durch die er sein »wahres Gesicht«, also seine Einbußen und Störungen verbirgt.Wenn er die Maske wieder absetzt, treten seine Krankheitszeichen wieder deutlich zu Tage.
Fassade ist intakt.
Als Angehörige kann mich die gute Fassade des Kranken in äußerst unangenehme Situationen bringen: Denn vielleicht habe ich anderen Familienmitgliedern oder Freunden von den Veränderungen des Demenzkranken und meinen großen Belastungen, die die Krankheit für mein Leben mit sich bringen, berichtet. Und nun kommen sie zu Besuch, um sich selbst ein Bild machen zu können – und erleben ihn als Menschen, dem gar keine großen Veränderungen anzumerken sind. Und wenn diese anderen Familienangehörigen oder Freunde nicht über Demenzerkrankungen informiert sind, werden sie nun sicherlich denken, ich würde sehr stark übertreiben, würde den Kranken in einem schlechten Licht darstellen wollen, würde ihn schlechter machen, als er ist.
Schauspielern kostet Kraft.
Wieder kommt mir dann vielleicht der Gedanke, dass der Kranke sich einfach gehen lässt und sich keine Mühe gibt, wenn er mit mir alleine ist, und sehr wohl noch über viele seiner früheren Fähigkeiten verfügt, was sich ja dann zeigt, wenn andere Personen dabei sind. Tatsächlich ist es aber so, dass auch ein Demenzkranker – wie jeder Mensch – das Urbedürfnis hat, seine Würde und seinen Selbstwert zu bewahren, und um vor anderen ein gutes Bild abzugeben, kurzfristig noch viele Kräfte mobilisieren kann. Doch weder kann er diesen geschönten Zustand lange aufrechterhalten, noch setzt er ihn absichtlich und berechnend ein. Vielmehr scheint es ein unbewusstes Verhalten zu sein, sich anders zu geben, wenn Besuch kommt. Doch dieses andere Verhalten kostet den Kranken unheimlich viel Energie! Deswegen ist er nach dem Besuch meist erschöpft, was sich nicht selten in Unruhe, Verwirrtheit und einer kurzfristigen Verstärkung der übrigen Krankheitszeichen äußert.
Und Familienangehörige, Freunde und Bekannte können sich ja gerne von der Wahrheit meiner Erzählungen überzeugen, indem sie mich z. B. einmal einige Tage vertreten! In dieser Zeit könnte ich ein wenig ausspannen und Entlastung finden, und sie könnten sich ein realistisches Bild von meiner Situation machen!
Mehrere Lösungen denkbar
Natürlich ist die einfühlsame Kommunika tion eine Möglichkeit mit vielen Lösungswegen und sie braucht Übung und Erfahrung, um mit ihrer Hilfe misslingende Kommunikation zu vermeiden. Auch gehört die Disziplin dazu, sich das Besondere der Kommunikationssituation mit einem Demenzkranken immer wieder bewusst zu machen.
Wenn Sie in eine Situation mit Ihrem demenzkranken Angehörigen kommen, in der Sie zunächst nicht weiter wissen oder völlig ratlos sind, dann reagieren Sie nicht sofort und spontan, sondern geben Sie sich ein wenig Zeit und versuchen zu erkennen: Welches Bedürfnis offenbart der Kranke? Welche Reaktion wäre jetzt hilfreich?
Auch bei der einfühlsamen Kommunikation gibt es kein Patentrezept, das für alle Situationen und alle Menschen gilt. Nur durch kontinuierliches Ausprobieren kann es gelingen,
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