Alzheimer und Demenzen
ein Gespür für den jeweiligen Augenblick zu entwickeln. Und wenn es Ihnen einmal nicht gelingt, sind Sie beim nächsten Mal um eine Erfahrung reicher.
Identität erhalten: erinnern, beschäftigen, entspannen
Das Selbstbild Demenzkranker stimmt meist nicht mehr mit der Realität überein. Wie kann ich dem Betroffenen helfen, ein positives Selbstbild zu bewahren? Denn: Die Demenz zerstört Erinnerungen und Identität.
Wozu dient die Selbst-Erhaltungs-Therapie (SET)?
Selbstbild und Identität machen einen Menschen zu dem, was er ist. Der Verlust an Wissen und Erinnerungen erschüttert im Verlauf einer Demenz die Identität des Betroffenen. Mithilfe der Selbst-Erhaltungs-Therapie können diese zentralen Aspekte der Persönlichkeit so lange wie möglich stabilisiert werden.
Die Selbst-Erhaltungs-Therapie (SET), die ebenfalls auf dem Konzept der einfühlsamen Kommunikation beruht, stellt den Versuch dar, die Identität des Kranken, d. h. sein Wissen von sich selbst, zu stärken. Die Vorstellung, die durch den Begriff »Therapie« hervorgerufen wird, nämlich dass es nur ausgebildeten Therapeuten möglich ist, diese Methoden anzuwenden, ist jedoch falsch: Tatsächlich können die beschriebenen Prinzipien auch von mir als Angehörige im Alltag umgesetzt werden.
Doch zunächst gilt es wieder, die psychologischen »Grundlagen« zu erläutern:
Was ist denn eigentlich unser Selbst – auch Identität oder »Ich« genannt?
Warum ist es nötig, dieses Selbstbild immer wieder zu überprüfen und neuen Erfahrungen anzupassen?
Und warum versuchen Demenzkranke verzweifelt, ein altes, nicht mehr stimmiges Selbstbild aufrechtzuerhalten bzw. warum löst sich das Selbstbild bei Betroffenen im weiteren Krankheitsverlauf regelrecht auf?
Was ist das »Selbst« des Menschen?
In einem ihrer Artikel über die Selbst-Erhaltungs-Therapie zitiert deren Begründerin, Barbara Romero, einen demenzkranken Mann, der in sein Tagebuch schrieb: »Jeden Moment fühle ich, dass ein anderer Teil von mir verloren geht. Mein Leben […] mein Selbst […] fallen auseinander […]. Die meisten Menschen erwarten eines Tages den Tod, aber wer hätte je erwartet, das Selbst zuvor zu verlieren«?
Um nachfühlen zu können, wie bedrohlich der Kranke die Verletzungen seines Selbst erlebt, die durch die Demenzerkrankung verursacht werden, ist es hilfreich zu verstehen, was das Selbst überhaupt ist, wie es sich im Laufe eines Lebens entwickelt und inwiefern es überhaupt verletzlich ist bzw. gar verloren gehen kann.
wichtig
Ein solches Bild von sich selbst entwirft jeder Mensch automatisch, weil er dieses Selbstbild zum Überleben braucht. Er muss wissen, wer er ist, um sich orientieren und in jeder Situation seines Lebens entscheiden und handeln zu können.
Das Selbst, das auch das Ich oder die Identität eines Menschen genannt wird, setzt eine sehr komplizierte sich-selbst-betrachtende Fähigkeit des Menschen voraus. Diese Fähigkeitsetzt sich aus geistigen und anderen psychischen Aspekten zusammen. Mithilfe dieser Fähigkeit entwirft jeder Mensch ein Bild von sich selbst: Ein Bild von dem, wie er früher war, wie er jetzt ist, woher er kommt, was er will, welche Persönlichkeit er hat, welche Bedürfnisse, Werte, Haltungen, welchen Sinn sein Leben hat usw.
Lernfähige Menschen passen ihr Selbstbild an
Das Bild von sich selbst ist bei einem gesunden Menschen dynamisch, d. h. es wird ständig weiterentwickelt und zu einem gewissen Grad verändert. So müssen neue Erlebnisse und neues Wissen in dieses Bild eingepasst werden. Sollte dies nicht gelingen, weil das alte Bild und die neuen Erlebnisse nicht zusammenpassen, müssen entweder die neuen Erlebnisse ignoriert und verdrängt werden oder das alte Bild muss geändert werden.
»Am »alten« Selbstbild festhalten oder ein »neues« entwerfen?
Erlebnis uminterpretieren oder verdrängen.
Nehmen wir an, ein Mensch hat das Selbstbild von sich, ein guter, umsichtiger, konzentrierter Autofahrer zu sein. Dieses Bild hat er entworfen, weil er in seiner 50-jährigen Zeit als Autofahrer noch nie einen Unfall verursacht und schon viele brenzlige Verkehrssituationen, in die andere ihn gebracht haben, gut gemeistert hat. Dieser Mensch verursacht nun – durch eigene Unkonzentriertheit – einen kleinen Auffahrunfall. Nun kollidiert also die neue Erfahrung, einen Unfall durch eigenes Fehlverhalten verursacht zu haben, mit dem »alten« Selbstbild, ein guter Autofahrer zu sein, der immer fehlerfrei fährt! Dieser
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