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Alzheimer und Demenzen

Alzheimer und Demenzen

Titel: Alzheimer und Demenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prof. Dr. Sabine Engel
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auch zu verstehen, welche Einschätzung er von seinem Gegenüber hat. Doch bedauerlicherweise kommt es auf der Beziehungsseite zu den meisten Missverständnissen. Denn oft meinen wir, Beziehungsnachrichten verstanden zu haben, die der Sprecher gar nicht »gesendet« hat.
    Ein weiteres wichtiges Prinzip bei der einfühlsamen Kommunikation mit einem demenzkranken Menschen ist es daher zu vermeiden, in jeder Äußerung des Kranken kritische Beziehungsnachrichten, z. B. Vorwürfe, zu vernehmen. Besonders in kritischen, konfliktreichen Situationen neigt man dazu, dem anderen Kommunikationspartner negative Beziehungsnachrichten »in den Mund« zu legen. Dann geht man davon aus, dass der andere denkt: »das sage ich, um dich zu ärgern«, »du hast mir gar nichts vorzuschreiben«, »auf dich höre ich nie«, »du bist rechthaberisch« oder auch »das mache ich, um dich einzuschüchtern«.
Vermeiden Sie vorausschauend Konflikte
    Zur einfühlsamen Kommunikation gehört, dass ich Situationen, von denen ich weiß, dass sie häufig zu Konflikten führen, vorausschauend vermeide. Dieses ist eine der größten Künste von Angehörigen und erfordert großes Einfühlungsvermögen, Geduld und Phantasie! Ein Angehöriger hat dies einmal auf den Punkt gebracht, als er gesagt hat: »Um Konflikte mit meiner demenzkranken Frau zu vermeiden, musste ich zwei Berufe erlernen: Diplomat und Schauspieler!«
    wichtig
    Bleibe ich dagegen fest bei der einfühlsamen Kommunikation und dem Prinzip »Ich bin o.k. und du bist o.k.« und finde entweder eine praktikable Lösung oder aber eine wirksame Ablenkung, wird die Situation entschärft und ist möglicherweise schnell wieder vergessen.
    Diese Lernprozesse fallen mir sicherlich nicht leicht, aber sie ermöglichen es mir, einen erfolgreichen und vertrauensvollen Verständigungsprozess mit dem Kranken aufrechtzuerhalten. Große Diskussionen und Appelle an die Einsicht des Kranken sind zum einen nicht hilfreich und zum anderen vergrößern sie oft noch die seelische Not des Kranken; spürt er doch dadurch wieder einmal, dass er etwas falsch macht, dass etwas mit ihm nicht stimmt!
    TIPP
    Der Betroffene will Sie nicht ärgern!
    Wenn ich meinem Kommunikationspartner solche negativen Beziehungsnachrichten unterstelle, neige ich automatisch dazu, aggressiv auf ihn zu reagieren. Und dies ist im Umgang mit einem demenzkranken Menschen nicht hilfreich: Es macht die ganze Situation verfahren. Und ein Demenzkranker hat immer weniger die Möglichkeit, diese Verfahrenheit zu begreifen und aufzulösen.
    Einfühlsame Kommunikation heißt hier, mein kritisches »Beziehungsnachricht-Ohr« abzuschalten, um Gedanken wie »das macht er nur, weil er mir eins auswischen will« oder »das macht er, um mich zu ärgern« zu verhindern.
    Wenn ich aufhöre, hinter Handlungen, Äußerungen und Verhaltensweisen des Kranken eine negative Beziehungsnachricht zu vermuten, höre ich auch auf, diese Dinge persönlich zu nehmen. Dadurch erleichtere ich mir die Einsicht, dass der Kranke das tut, weil er sich nicht anders ausdrücken kann und nicht etwa, um mich zu ärgern.
Vorwürfe helfen nicht!
    Auch bei Fehlleistungen und Missgeschicken des Kranken schießen Appelle an seine Disziplin und sein Bemühen am eigentlichen Ziel vorbei. Einem Demenzkranken zu sagen »jetzt denk’ halt einmal nach!« oder »streng dich bitte mal an!« ist also nicht nur unpassend, sondern kann sogar sehr verletzend sein!
    Die Tatsache, dass die Fähigkeiten bei einer Demenzerkrankung stark schwankend sind bzw. sein können, erschwert für mich als Angehörige natürlich die Akzeptanz der Beeinträchtigungen als Krankheitszeichen. Wenn der Kranke gestern noch problemlos das abgetrocknete Geschirr in die richtigen Küchenschränke räumen konnte und heute bei keinem Stück weiß, in welchem Schrank es seinen Platz hat, dann ist es in der Tat sehr schwer einzusehen, dass er es heute nicht kann. Der Gedanke, dass er sich heute nicht richtig anstrengt, liegt nahe. Dennoch gilt es auch in solch einer Situation zu realisieren, dass die Krankheitssymptome tatsächlich sehr stark in ihrem Ausmaß schwanken können: von einem Tag auf den anderen, vom Vormittag zum Nachmittag, von einem Augenblick zum nächsten. Und was der Kranke jetzt nicht kann, kann er auch dann nicht, wenn ich ihn hartnäckig zu größerer Anstrengung ermahne.
    Natürlich ist es nicht immer leicht, sich auf die Perspektive des Kranken einzulassen, ihm in seiner Welt zu begegnen, und seinen

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