Alzheimer und Demenzen
durchschnittlich 70% aller 60–80-jähren Menschen chronische Schmerzen haben. Da die allermeisten Menschen, die an einer Demenzerkrankung leiden, zur Gruppe der sog. »Alterspatienten« gehören, liegt es auf der Hand, dass ein hoher Prozentsatz von ihnen Schmerzen leidet! Doch nur bei einem geringen Anteil der demenzkranken Schmerzpatienten wird Schmerz erkannt und behandelt! Eine Untersuchung in den Vereinigten Staaten lässt den alarmierenden Schluss zu, dass über drei Viertel aller Demenzkranken mit einer potenziell schmerzhaften Erkrankung keine Schmerztherapie erhalten!
wichtig
Bei herausforderndem Verhalten Demenzkranker sollte man immer auch die Möglichkeit eines Schmerzgeschehens bedenken. Selbst wenn keine schmerzhafte Krankheit oder Veränderung bekannt ist, sollte eine sog. »probatorische« d. h. versuchsweise Schmerztherapie in Erwägung gezogen werden.
Meine Gefühle zurücknehmen können
Um mich aber in die Welt des anderen einzufühlen, muss ich meine eigenen Gefühle zurücknehmen. Was ganz logisch klingt, ist jedoch sehr schwer.
Es liegt auf der Hand, dass es nahe stehenden Menschen viel schwerer fällt als z. B. professionellen Pflegekräften, sich von ihren eigenen Gefühlen zu distanzieren, um sich den neuen Herausforderungen stellen zu können und sich auf die Erlebenswelt des Kranken einzulassen. Denn Nahestehende erleben ja oftmals sehr starke Gefühle wie Trauer über die vielen Verluste, die die Demenzerkrankung mit sich bringt, Hilflosigkeit angesichts der fehlenden Möglichkeit, die Krankheit zu heilen und Abwehr gegen die unabwendbaren Veränderungen.
Und tatsächlich zeigt es sich, dass ich als Angehörige deutlich weniger in der Lage bin, mich in den Kranken einzufühlen und empathisch mit ihm zu kommunizieren, wenn ich nicht loslassen kann von dem »alten Bild«von ihm, seine Krankheit nicht akzeptieren kann. Aber wie geht das? Wie soll ich meine eigenen Gefühle, meinen Ärger, meine Trauer, meine Wut, meine Enttäuschung beiseitelassen? Empfehlenswert ist hier das Erlernen von Entspannungstechniken, die man in der aktuellen Situation anwenden kann.
Kleine Entspannungsübungen helfen
Um meinen Angehörigen bei der Bewältigung alter schmerzhafter Erinnerungen zu unterstützen, hilft es, meine eigenen Gefühle vorübergehend beiseite zu lassen. Dies kann ich z. B. durch eine schnell durchführbare, kurze Entspannungsmethode erreichen: Ich konzentriere mich auf die eigene Körpermitte und atme etwa 3 Minuten lang tief durch die Nase ein und den Mund aus. Dabei richte ich die eigene Aufmerksamkeit nur auf das Atmen, ohne an etwas zu denken. Schon nach kurzer Zeit spüre ich die Entspannung, kann von mir selbst besser loslassen und bin offener für die Gefühlswelt des Kranken.
Solche Entspannungsverfahren sind natürlich nicht der einzige Weg für mich als Angehörige, um die eigenen Gefühle »in den Griff« zu bekommen. Eigene Gefühle, insbesondere Trauer, sollen auch gespürt, mitgeteilt und anerkannt werden. Deshalb ist es ebenso wichtig, dass ich mich anderen Menschen mitteilen kann. Der Austausch mit Verwandten, Freunden oder anderen Angehörigen von Demenzkranken hilft mir, meine eigenen Gefühle zu verarbeiten und hilft daher auch, das Verhältnis zu dem Kranken zu stützen.
»Ich will einfach nicht, dass er krank ist!«
Emotionen brechen auf.
In einer Angehörigenschulung berichtet ein Mann immer wieder von Situationen, in denen er sehr ungehalten, rau und unwirsch auf seinen demenzkranken Vater reagiert, wenn dieser etwas sagt oder tut, was der Sohn als unangemessen und nicht nachvollziehbar empfindet. Gegenüber Überlegungen in der Gruppe, wie man mit dem Vater einfühlsamer kommunizieren könnte, scheint dieser Sohn wenig aufgeschlossen zu sein und daran ändert sich in den ersten Wochen der Angehörigenschulung auch nichts. Als er eines Tages erneut eine sehr unharmonische Szene zwischen ihm und seinem demenzkranken Vater schildert und eine andere Teilnehmerin laut überlegt, was wohl in dem Vater des Mannes vorgehe, wenn es zu einem solchen Streit komme, bricht es aus dem Sohn mit starken Emotionen hervor: Er könne sich einfach nicht in den Vater einfühlen, denn das würde ja voraussetzen, dass er die Krankheit des Vaters akzeptieren müsste. Tränen stehen ihm in den Augen, als er – fast wie ein kleiner Junge – trotzig da rauf beharrt: »Ich will einfach nicht, dass er diese Krankheit hat.«
Doch wie die meisten Angehörigen hat es auch dieser Mann
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