Alzheimer und Demenzen
Gefühle wahrzunehmen, sie zu akzeptieren und auf sie zu reagieren. Dieses bedingungslose Annehmen des Kranken und seiner Welt, die sich von meiner Welt immer stärker entfremdet, ist eine große Leistung, die mir viel abverlangt.
Aber nicht nur die dauernde Anforderung, sich empathisch auf die Realität des anderen und seine häufig schwer nachvollziehbare Gefühlswelt einzulassen, zehrt an meinen Kräften. Auch seelische Anspannung, körperliche Überlastung, Schlafstörungen, Mangel an Sozialkontakten oder Schuldgefühle können meine Situation erschweren und mich zunehmend belasten. Bei all diesen Belastungen geraten meine eigenen Bedürfnisse und Wünsche häufig immer stärker in den Hintergrund. Vor lauter Sorge um den anderen kommt die Sorge um mich selbst zu kurz.
Es lässt sich von einer Vielzahl von Beispielen aus der Praxis berichten: Da erzählt eine pflegende Ehefrau, sie müsste nach ihrer Krebsoperation eigentlich eine Rehabilitationsmaßnahme besuchen, doch tue sie es nicht, weil ihr demenzkranker Mann sonst zur Kurzzeitpflege müsse. Ein älterer Mann schildert, dass er alle seine Interessen aufgegeben habe, um nur noch für seine demenzkranke Frau da zu sein.
Ständige Überforderung macht krank
Mögliche Folgen sind Muskelverspannungen, Kreislaufregulationsstörungen, Migräne, Rückenschmerzen, Magen- und Darmprobleme oder Schlafstörungen. Häufig stellen sich auch psychisch-emotionale Beeinträchtigungen ein wie anhaltender Ärger oder Unzufriedenheit, Antriebslosigkeit, depressive Verstimmungen, Angst oder gar Panik, Erschöpfungsgefühle, Nervosität, Konzentrationsschwäche und quälender Selbstzweifel.
Vielleicht verändere ich mich aufgrund meiner starken Belastung auch in meinem Verhalten anderen Menschen gegenüber: Ich werde ungeduldiger, aufbrausender, aggressiver oder ziehe mich selbst immer stärker zurück, bis ich schließlich Beziehungen oder Freundschaften aufgebe und mich isoliere.
Lassen Sie es nicht so weit kommen, dass Sie sich völlig »ausgebrannt« fühlen! Wenn Sie die genannten Symptome verstärkt bei sich beobachten, sind dies Alarmzeichen, dass Sie dringend Erholung und Unterstützung brauchen.
Alkohol und Tabletten »helfen« nur kurzfristig
Ein vermeintliches Abschalten von der ständigen Anspannung und Belastung versprechen Alkohol und Drogen. Möglicherweise greife ich häufiger auf diese Mittel zurück: ein erhöhter Alkohol-, Nikotin- und Tablettenkonsum stellt sich ein. Was kurzfristig scheinbar Entspannung bringt, verschlechtert jedoch langfristig meine Situation umso stärker: erhöhter Alkohol- und Drogenkonsum schwächen insbesondere das Immunsystem,verschärfen die psychischen Probleme, verursachen zusätzliche Schuldgefühle und verhindern häufig das Finden anderer, besserer Lösungswege.
Überschießende Reaktionen
Wenn meine Belastung überhand nimmt und sich zur andauernden Überforderung aufschaukelt, kann es sogar zu gewalttätigen Reaktionen gegen den Kranken kommen. Dabei ist Gewaltanwendung gegen abhängige Menschen eine Verhaltensweise, die ich sicherlich als Unrecht empfinde und strikt ablehne. Und dennoch kann es zu Situationen kommen, in denen ich vielleicht »aus der Haut fahre«, mich nicht mehr unter Kontrolle habe und dem Kranken schlimme Behandlungen androhe, ihn anbrülle oder gar schlage.
wichtig
Wenn ich so etwas schon einmal erlebt habe, sollte ich dies als Warnzeichen dafür ansehen, dass ich dringend Hilfe von außen und Freiräume brauche, um wieder zu Kräften zu kommen.
Der völlig falsche Umgang mit solchen Situationen ist es dagegen, wenn ich mich aufgrund von Schuld- und Schamgefühlen zurückziehe, mich isoliere und mir selbst einfach ganz fest vornehme, dass so etwas nie wieder passiert. Denn die Erfahrungen zeigen, dass mich die nächste überfordernde Situation, die ja mit Sicherheit wieder eintreten wird, erneut an meine Grenzen bringen wird und eine erneute gewalttätige Reaktion wahrscheinlich ist.
Burnout – alle Kräfte sind verbraucht
Alle geschilderten körperlichen und psychischen Symptome bauen sich meist im Laufe der Zeit langsam und teilweise unbemerkt auf. Es sind dies die typischen Erscheinungen, die sich auch bei Menschen in sozialen Berufen einstellen, die sich nicht mehr von ihrer Arbeit und ihrem Klientel distanzieren können. In der Psychologie fasst man diese Symptome unter dem Begriff Burnout – ausgebrannt – zusammen. Der Begriff macht auf sehr bildhafte Weise deutlich, was mit den
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