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Am Anfang des Weges

Am Anfang des Weges

Titel: Am Anfang des Weges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Paul Evans
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nach, dann ging ich den Flur hinunter auf die Herrentoilette. Es war eine Einzeltoilette. Ich schloss die Tür ab, kniete mich auf den Fliesenboden und begann zu beten.
    »Gott, wenn es Dich gibt, werde ich Dir alles geben. Rette nur ihr Leben. Ich flehe Dich an, nimm sie mir nicht.« Ich lag etwa zehn Minuten auf den Knien, als jemand versuchte, die Tür zu öffnen.
    Kann man noch demütiger sein , dachte ich. Auf dem Boden einer öffentlichen Toilette zu knien. Gott würde mein Gebet gewiss erhören . Aber die Wahrheit ist, ich hatte das Gefühl, zu nichts zu beten. Ich hätte genauso gut das Urinal anbeten können. Ich stand auf und ging zurück in McKales Zimmer. Sie sah noch blasser aus als vorhin.
    »Was hat er gesagt?«, fragte sie leise.
    Ich wollte ihr keine Angst machen. »Er hat gesagt, dass es nur eine kleine Infektion ist.«
    »So klein fühlt sie sich nicht an …« Sie verzog das Gesicht und sah zu mir hoch. »Du musst das alles so leid sein.«
    Ich nahm ihre Hand. »Ich bin es nur leid, dass du das alles durchmachen musst.«
    »Es wird nicht mehr lange dauern«, sagte sie.
    Ich sah sie fragend an. »Was meinst du damit?«
    Sie schloss die Augen. »Bleib einfach bei mir.«

Fünfzehntes Kapitel
    Mach dir nichts vor.
Es kann immer noch schlimmer kommen.
    Alan Christoffersens Tagebuch
    Die Schmerzmittel taten ihre Wirkung, und McKale schlief drei Stunden tief und fest. Ihr Fieber war auf 40 Grad gesunken, aber weiter sank es nicht. Alles andere schien unverändert, was, nehme ich an, ein zweifelhafter Segen war.
    Es war gegen neun, als sie die Augen aufschlug. Sie waren schwer vom Fieber. Sie versuchte zu sprechen, aber die Worte kamen nur schwer und undeutlich über ihre Lippen, sodass ich sie anfangs nicht verstehen konnte. Ich hielt mein Ohr dicht an ihren Mund. »Was hast du gesagt?«
    Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Orcas Island.«
    Ich sah sie fragend an. »Was?«
    »Dorthin wollte ich mit dir fahren.«
    Orcas Island lag vor der Nordküste Washingtons und war die größte der San-Juan-Inseln. Wir hatten meinen College-Abschluss dort gefeiert und dort in einem Farmhaus übernachtet, das zu einem Bed & Breakfast umgebaut worden war. Ich verband eine meiner schönsten Erinnerungen damit. Ich war nie glücklicher oder verliebter gewesen als dort.
    »Weißt du, wann ich wusste, dass ich dich heiraten würde?«
    »Wann denn?«
    »An jenem Tag im Baumhaus. Du hast gesagt, du würdest mich niemals verlassen.« Sie runzelte die Stirn, vermutlich vor Schmerz ebenso wie vor Konzentration. »Weißt du noch?«
    »Ja.«
    Sie schluckte. »Du hast es nie getan.«
    »Und das werde ich auch nie.«
    »Nein, ich verlasse dich«, sagte sie.
    Ich sah sie an. Ihre Augen schwammen in Tränen.
    »Sag das nicht, McKale.«
    »Versprich mir …«
    »Nicht doch, Mickey …«
    »Bitte. Versprich mir zwei Dinge.«
    Mein Herz raste. »Was denn?«
    »Verlass mich nicht.«
    »Ich werde dich niemals verlassen. Das weißt du doch.«
    Sie schluckte. »Ich will nicht allein sterben.«
    Bei ihren Worten lief mir ein Schauer über den Rücken. »Mickey, sag das nicht. Du wirst nicht sterben.«
    »Es tut mir leid.«
    »Du wirst das schaffen. Wir werden das schaffen.«
    »Okay. Okay.« Ihre Worte klangen eher wie ein Keuchen. Sie schloss die Augen wieder. Ein paar Minuten später kam eine Schwester ins Zimmer. Sie überprüfte die Monitore und runzelte die Stirn.
    »Was ist los?«, fragte ich.
    »Ihr Blutdruck fällt ab.«
    »Was hat das zu bedeuten?«
    Sie zögerte. »Ich hole den Arzt.« Sie verließ das Zimmer.
    Eine Minute später schlug McKale die Augen auf, aber sie sah mich nicht an, und sie sagte nichts.
    »Du kannst mich nicht verlassen, Mick. Ich kann ohne dich nicht leben.« Sie sah mir schweigend in die Augen. »Wenn ich doch nur zu Hause geblieben wäre, dann wären wir jetzt nicht hier.«
    Sie ergriff meine Hand.
    Eine Träne kullerte mir über die Wange. Ich wischte sie verstohlen weg und sah sie an. »Mickey. Was war das andere?«
    Sie reagierte nicht.
    »Du hast gesagt, du wolltest, dass ich dir zwei Dinge verspreche. Was ist das andere?«
    Sie senkte für einen Moment den Blick, schluckte, dann kniff sie die Lippen zusammen und bewegte sie langsam. Ich hielt mein Ohr dicht an ihren Mund. »Was, Schatz?«
    »Lebe.« Das Wort klang wie eine Vertreibung.
    Ich wich zurück und sah ihr in die Augen, bis sie sie schloss. Die Schwester kam mit dem Arzt wieder. »Treten Sie bitte zur Seite«, sagte der Arzt.
    Der

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