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Am Anfang war das Chaos

Am Anfang war das Chaos

Titel: Am Anfang war das Chaos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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Pflanzen. Es gab nur die geringen Unterschiede des Halbdunkels. Aber Ilfa tastete sich entlang der scharfkantigen Blätter, die Haut wurde von Ästen aufgeschürft, und ab und zu beseitigte ein harter Schlag mit dem Schwert ein Hindernis.
    Wieder erscholl das Geheul.
    Ilfa wußte nicht, in welche Richtung der Durchschlupf führte. Nach längerem Rennen hörte das Gebüsch auf; ein freier Platz zwischen Quadern, heruntergestürzten Teilen eines Bogens und den Resten von Balken und Bohlen öffnete sich vor dem Eindringling.
    »Nein!« keuchte Ilfa. Sicher war nur, daß zwanzig Schritte vor dem Durchgang ein Wolf stand, ein riesiges Tier, das neben einem dahingestreckten Körper stand, den Kopf hochriß und den Rachen öffnete.
    Der Wolf stieß abermals das Heulen aus, von dem das Blut gerann.
    Ein Mann lag vor den Vorderfüßen der Bestie. Er war tot oder betäubt. Über dem Kopf mit braunem, verfilzten Haar leuchtete ein unwirkliches Licht wie von Tausenden von Glühwürmchen. Es zuckte und flackerte, und nicht nur der Wolf und der Körper des Reglosen, sondern auch die Steine dieser Ruinenecke wurden von dem Licht getroffen.
    Ilfa erschrak, zuckte zurück und ließ das Schwert sinken. Der Wolf starrte aus lodernden Augen. Langsam ging der Eindringling Schritt um Schritt rückwärts, bis ihn die Pflanzenbarriere aufhielt. In demselben Lichtschein, der über dem Kopf des Mannes – er sah aus wie Helmond, aber dennoch anders – loderte, fand Ilfa den Durchgang und hastete in panischer Angst zurück bis an den Platz, an dem die anderen warteten und inzwischen eine Höhlung gefunden hatten, in der sie rasten konnten.
    Ilfa prallte gegen Helmond und rief:
    »Da… da ist ein Wolf. Habt ihr das Heulen nicht gehört?«
    »Doch«, sagte Helmond und nickte. »Wir halten es für unwichtig. Hast du etwas gefunden?«
    Mit bebenden Lippen berichtete Ilfa, was dort geschehen war. Ungläubig hörten die anderen zu. Schließlich nickten der Zentaur und Helmond einander zu, packten die Waffen und verschwanden in dem Loch in den Pflanzen. Hungrig aß Ilfa etwas von dem letzten Braten und einen Bissen des schimmeligen Brotfladens, den die Haryie gebacken hatte, aus den letzten Körnern aus der Schattenzone.
    »Still«, sagte Sgnore. »Aber… ich höre nichts mehr.«
    »Es war ein Licht über dem Kopf des Menschen«, sagte Ilfa voller Verwirrung. »Ich hab’s deutlich gesehen. Alles war hell.«
    Tautason und Santauta hoben fast gleichzeitig die Schultern und gaben zu erkennen, daß auch sie nicht wußten, was sie von all dem zu halten hatten.
    »Zauberei«, meinte Tautason schließlich. Ilfa schüttelte den Kopf.
    »Ich kann meinen Augen doch noch trauen!«
    »Wer weiß!«
    Sie saßen da und lauschten in den Durchgang hinein. Sie hörten nur die Schritte des Hengsters und Helmonds und deren Flüche und Kommandos. Dann war es eine Weile lang still. Die Haryie raschelte mit ihrem Gefieder, schließlich sagte sie mit ihrer schrillen, keifenden Stimme:
    »Wolf? Mensch? Du hast Dinge gesehen, die ebenso unwirklich sind wie die Visionen dieser glutäugigen, breithüftigen Frau, von der der Treck geführt wurde.«
    Ilfa stocherte mit einem abgebrochenen Splitter in den Zähnen und schneuzte sich mit den Fingern.
    »Mag sein«, lautete die Antwort. »Aber ich bin sicher, daß ich gesehen habe, was ich gesehen habe.«
    »Dennoch«, gab Santauta zu bedenken. »Das schrille und lange Heulen haben wir alle deutlich gehört.«
    Ilfa erinnerte sich an das Bild.
    Der Wolf war alt und kräftig gewesen, weitaus größer als jedes Tier dieser Art, das je von einem Angehörigen der Rotte gesehen worden war. Das Fell, voll und graugefleckt, strahlte Glätte, Gesundheit und Glanz aus. Der Wolf war wirklich gewesen. Ebenso wirklich wie der Mensch, der ausgestreckt auf der Körperseite dagelegen war. Sein Haar war lang gewesen. Er hatte sich nicht gerührt. Jetzt war Ilfa überzeugt, daß er so gut wie keine Kleidung an seinem Körper gehabt hatte.
    Trotz des flackernden Lichtscheins war nicht mehr zu erkennen gewesen.
    »Ilfa! Sgnore«, erscholl es aus dem dunklen Gang zwischen den Gewächsen. Die Haryie schrie schrill zurück:
    »Hier sind wir. Und wohlbehalten.«
    Helmond tauchte auf, schweißüberströmt, von Dornen zerstochen und mit Pflanzenresten am Metall des Schwertes.
    »Nichts!« sagte er mit hohler Stimme. »Du hast zauberische Bilder gesehen, Ilfa.«
    Der Zentaur und Ilfas Vater schoben sich aus dem Loch, schüttelten sich und deuteten nach

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