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Am Anfang war das Ende (German Edition)

Am Anfang war das Ende (German Edition)

Titel: Am Anfang war das Ende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Casta
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Vogelnestschule für eingeweiht erklären.«
    Die Trompetenmädchen trompeten los, nach kurzer Suche finden sie die richtigen Töne und blasen, dass einem fast die Ohren abfallen. Als sie fertig sind, wird es ein paar Sekunden lang still. Dann beginnt David zu singen. Er singt a capella, ganz ohne Begleitung, und obwohl ich ihn schon oft gehört habe, ist es so schön, dass ich eine Gänsehaut bekomme. Er steht ganz still da, und man sieht deutlich, wie sich sein Körper in ein vibrierendes Instrument verwandelt, das die reinsten Töne erzeugt. Als David verstummt, bricht ohrenbetäubender Beifall los, worauf er sich wohlerzogen verbeugt.
    Dann stürzen wir uns auf die Sandwichtorten. Ich habe mir gerade ein Riesenstück erobert, als Red Bull mich diskret in die Seite stößt und mit dem Kopf zu den Sitzplätzen an den kleinen Tischen hinübernickt.
    »Speis und Trank hält Leib und Seel zusammen«, sage ich laut und grinse in die Videokamera, die der Ganser auf mich richtet. Ich denke an Gun-Helens Bemerkung über die vielen Gefühle, die es hier gibt. Man muss schließlich seinem Ruf gerecht werden.
    »Ich hasse Sandwichtorte«, flüstere ich Red Bull mit einem ebenso diskreten Stoß in die Seite zu. »Ich futtere bloß, um die Zukunft der Vogelnestschule zu sichern.«

Der grüne Kreis
    Danach hören die Tage auf. An die bisher erwähnten erinnere ich mich am deutlichsten. Ich habe sie mir ins Gedächtnis eingeprägt, um von ihnen berichten zu können. Denn wenn ich mich nicht daran erinnere, wer sollte es dann tun? Danach folgt nur noch ein ungeordneter Haufen von Bruchstücken, Bilder ohne eigentlichen Zusammenhang. Ich bin mir nicht sicher, in welche Reihenfolge die Bilder gehören, und weiß auch nicht, ob die wichtig ist. Irgendwie liegen die Bilder ganz unten in meinem Kopf, wie die dunklen Blätter auf dem Boden einer Teekanne. Aber wenn ich sie heraufhole, sehe ich sie ganz deutlich vor mir.
    Ich erinnere mich an das erste Treffen mit dem Grünen Kreis. Gabriel hatte sich ausgedacht, dass wir uns um Mitternacht draußen auf dem Holzdeck treffen sollten. Gabriel und Dinah schienen mindestens hundert Teelichter angezündet zu haben. Das sah gespenstisch und gleichzeitig gemütlich aus.
    Sie hatten auch ein Buch mitgebracht.
    »Wir wollen eine Gesellschaft bilden, die in eine größere eingeht«, sagt Gabriel und hielt das Buch hoch. »Es gibt da etwas, das nennt sich Die Geheime Gesellschaft. In diesem Buch steht alles darüber. Die Gesellschaft besteht aus allen Menschen, die anders denken, die etwas anderes wollen, die mehr wollen. Niemand weiß, wer alles dazugehört, aber wenn man einem Mitglied begegnet, kann man es an seinen Augen erkennen. Vielleicht ist es ein Mensch von hundert oder einer von tausend. Das weiß niemand.«
    »Aber hör mal«, sagte ich, »was soll das denn für einen Sinn haben, zu einer Gesellschaft zu gehören, von der niemand was weiß? Was sollen wir überhaupt machen?«
    »Widerstand leisten«, erklärte Dinah. »Wir müssen dafür einstehen, dass wir etwas anderes wollen als dieses Scheißsystem. Wir müssen unseren eigenen Weg gehen, uns selbst treu sein. Nicht mit dem Strom schwimmen. Das tun nur tote Fische. Alles, was lebt, schwimmt gegen den Strom. Hast du daran schon mal gedacht?«
    Ich schüttelte den Kopf. Wer hatte schon Zeit, an Fische zu denken?
    »Ich hasse die Menschen …«, sagte ich und sah Dinah an.
    Sie nickte. »Genau«, sagte sie. »Aber nicht die Menschen, die zur Geheimen Gesellschaft gehören. Wenn man da mitmacht, ist man nicht mehr allein.«
    Ungefähr an dieser Stelle drangen eigenartige Geräusche unter dem Holzdeck zu uns herauf. Da scharrte und wühlte irgendetwas. Erst erschrak ich. Vielleicht waren das Ratten! Doch da sagte das Tier: »Ich will auch mitmachen«, und da hörte ich, dass es David Beckham war.
    Übrigens waren wir wieder zusammen. Eines Abends hatte er keuchend vor meiner Tür gestanden, und als ich schließlich aufmachte, sah ich, dass er Blumen in der Hand hielt. Einen Strauß roter Stofftulpen. Und was macht man da?
    »Komm rein!«, seufzte ich.
    »Die sind für dich«, sagte er und hielt mir die Tulpen hin.
    »Warum hast du die gekauft?«, fragte ich.
    »Weil ich dich um Entschuldigung bitten wollte. Du bist das Beste, was es überhaupt gibt, Judit«, sagte er und sah mich mit diesen großen Hundeaugen an, denen ich so schwer widerstehen kann.
    Ich überlegte lange.
    »Na gut«, sagte ich. »Aber das ist deine letzte Chance,

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