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Am Anfang war das Ende (German Edition)

Am Anfang war das Ende (German Edition)

Titel: Am Anfang war das Ende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Casta
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uns hier was zustößt, haben wir immerhin die Kamera. Die lässt uns anders handeln, bewirkt, dass wir uns ein bisschen sicherer bewegen. Es ist, als könnten wir uns sagen, dass wir ja nur in einem Film mitspielen. Bald wird der Albtraum enden und sich eine Tür in die normale Welt auftun. Dass Gabriel das, was wir tun, mit der Kamera dokumentiert, verleiht irgendwie allem einen Sinn.

XVI
    »Das taugt nichts«, sagt Dinah und betrachtet die Bretter, die wir auf dem Wall in die Erde gesteckt und oben aneinandergelehnt haben. Ich verstehe, was sie meint. Was wir gebaut haben, sieht irgendwie nach gar nichts aus. Ein paar Bretter, die aneinandergelehnt dastehen, das ist kein Monument, nicht mal ein Leuchtturm. Am ehesten erinnert es an das Gerippe für ein Lappenzelt. Wenn also ein paar Leute aus Lappland auf dem Meer dahergesegelt kämen, würden sie es vielleicht erkennen.
    »Wir müssen es ganz anders angehen«, sagt Gabriel.
    »Ich weiß, wie!«, ruft Dinah plötzlich aus. »Wir bauen einen Menschen!«
    »Einen Menschen?«, wiederholt David.
    »Hört zu«, sagt Dinah eifrig. »Wir benützen die Bretter, um eine menschliche Figur zu bauen. Mit zwei langen Beinen und zwei Armen, die nach der Seite abstehen, und einem Kopf. Das wird ein sichtbares Zeichen.«
    Ich pflichte ihr bei. Ein großer Kerl aus Holz, so was würde man bestimmt bemerken.
    »Aber wie?«, sage ich. »Wie soll der zusammenhalten?«
    »Wir benützen Rinde und zurren die Bretter damit fest.«
    David schüttelt den Kopf. »Wir haben keinen Kopf«, sagt er. »Ein Mensch muss einen Kopf haben.«
    »Wir nehmen einfach einen Stein«, sagt Dinah. »Den legen wir obendrauf.«
    »Einen Versuch ist es wert«, sagt Gabriel. »Wenn es uns gelingt, einen Menschen zu bauen, wird das ein echt deutliches Zeichen.«
    Gemeinsam ziehen wir lange Rindenstreifen von den Silberbüschen im Uferwald. Das geht erstaunlich leicht. David und Gabriel nehmen einen Streifen und zerren versuchsweise an je einem Ende.
    »Das Zeug ist ja irre stark«, stellt David begeistert fest.
    Dann nehmen David und ich zwei Bretter und Dinah und Gabriel zwei weitere. Das sind die Beine. Wir lehnen sie vorsichtig aneinander, damit sie sich oben stützen. Unser Mensch soll stabil stehen. Danach zurren wir alles mit den Rindenstricken fest. Dann legen wir zwei Bretter so ausbalanciert quer über die Beine, dass sie fast von alleine halten, und befestigen sie auf dieselbe Weise. Unser Monument sieht jetzt aus wie ein primitives Strichmännchen. Und von Weitem wird er bestimmt noch mehr an einen Menschen erinnern. An einen breitbeinigen Menschen, der seine langen Arme ausstreckt.
    »Den roten Stein könnten wir als Kopf nehmen«, schlage ich vor. »Der, mit dem ihr die Bretter losegeklopft habt.«
    »Der liegt jetzt wieder im Wasser«, sagt David. »Wir müssen einen anderen suchen.«
    »Aber der rote war so schön«, sage ich. »Ich hol ihn rauf.«
    Als ich mit dem Stein in den Armen zurückkomme, sagt Dinah, dass er ein Gesicht braucht. Sie sucht einen spitzen, kreideweißen Splitter und ritzt damit in den runden Stein.
    »Bitte, geht doch ganz einfach«, bemerkt sie und ritzt als Erstes die Augen.
    Als Dinah fertig ist, hat der rote Stein zwei leicht wehmütige Augen, eine ziemlich breite Nase und einen großen lächelnden Mund. Um den Stein auf die Schultern des hölzernen Kerls zu befördern, muss ich auf Davids Schultern klettern. Gabriel und Dinah hieven den Stein gemeinsam hoch, damit ich ihn zu fassen bekomme. Ich lege ihn in der Mitte der quer gelegten Bretter ab. Zwischen den Rindenstricken dort liegt er gut, wie ein Ei in einem Vogelnest.
    »So, der sitzt«, erkläre ich und springe von Davids Schultern.
    »Das müssen wir filmen«, sagt Gabriel und holt die Kamera heraus.
    •
    2 . SZENE. AUSSENANSICHT. AUF DEM DAMM. SCHREIE DER WEISSVÖGEL.
    DINA, JUDIT, DAVID, (GABRIEL).
     
    Judit, Dinah und David fassen sich an den Händen und bilden einen Kreis um den Holzmann. Sie schauen alle drei zu ihm auf. Die Kamera folgt ihren Blicken und zoomt den roten Stein heran.
     
    Plötzlich beginnt die Kamera zu wackeln. Wir hören Gabriel lachen.
     
    GABRIEL (nicht im Bild)
    Wisst ihr, wer das ist? Er sieht genauso aus wie Red Bull!

XVII
    Als wir zu unserem Lager zurückkommen, müssen wir feststellen, dass das Schwein uns wieder besucht hat. Es hat im Tanghaufen gewühlt und noch ein paar Stücke Fisch verschlungen.
    »Am helllichten Tag!«, sagt Gabriel. »Es muss total ausgehungert

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